Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Die Jahre des Schwarzen Todes

Die Jahre des Schwarzen Todes

Titel: Die Jahre des Schwarzen Todes Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Willis Connie
Vom Netzwerk:
gegen die zerbrechlich aussehende Wand. Sogleich fühlte sie sich besser, obwohl es so kalt war, daß ihr Atem dampfte.
    Aber hier in Bodennähe war der Rauch weniger dicht, und der Hustenreiz ließ nach. Sie fragte sich, wie es hier erst im Sommer riechen mochte. Um sich warm zu halten, wickelte sie den fellgefütterten Umgang wie eine Decke um die angezogenen Knie.
    Kalte Zugluft strich über den Boden hin. Durch Zusammenkauern bemühte sie sich, auch die Füße in den wärmenden Schutz des Umhangs mit einzubeziehen, dann hob sie ein Gartenmesser auf, das neben dem Zwiebelsack lag, und stocherte damit in dem dürftigen Feuer. Es flammte halbherzig auf, erhellte das Innere der Hütte und ließ es mehr denn je wie einen Geräteschuppen aussehen. An einer Seite befand sich ein niedriger Anbau, wahrscheinlich ein Stall, weil er vom Rest der Hütte durch einen niedrigen Flechtzaun abgeteilt war. Das Feuer brannte nicht hell genug, um in den Anbau hineinzusehen, aber Kivrin hörte ein scharrendes Geräusch, das von dort zu kommen schien.
    Ein Schwein, vielleicht, obwohl die Bauern ihre Schweine schon Wochen vor Weihnachten zu schlachten pflegten, um Wurst zu machen und Speck zu räuchern. Oder vielleicht war es eine Milchziege. Sie legte Zweige aus dem kleinen Brennholzvorrat nach, um etwas mehr Helligkeit in den Raum zu bringen.
    Das scharrende Geräusch kam nicht aus dem kleinen Anbau, sondern aus einem ansehnlichen, kuppelförmigen Metallkäfig vor der geflochtenen Abtrennung. Mit seinen glatt gebogenen Metallbändern, der komplizierten Tür und dem fein gearbeiteten Tragegriff wirkte der Käfig in diesem schmutzigen Winkel fehl am Platz. In dem Käfig war eine Ratte. Ihre schwarzen Augen glänzten im Feuerschein.
    Sie saß auf den Keulen und hielt in den handähnlichen Pfoten ein Stück Käse, das sie vielleicht in die Gefangenschaft gelockt hatte, und beobachtete Kivrin. Am Käfigboden lagen mehrere andere bröckelnde und zum Teil schimmelnde Käsestückchen. Mehr Nahrung als in der ganzen Hütte, dachte Kivrin. Sie blieb still auf dem klumpigen Zwiebelsack sitzen und vermied jede hastige Bewegung. Es fiel ihr schwer, sich vorzustellen, daß diese Leute etwas hatten, was vor einer Ratte zu schützen sich lohnte.
    Sie hatte natürlich früher schon Ratten gesehen, in der medizinischen Fakultät und als man sie während ihres ersten Studienjahres auf Phobien getestet hatte, aber nicht von dieser Art. Niemand hatte in den letzten fünfzig Jahren Ratten dieser Art gesehen, wenigstens nicht in England. Es war tatsächlich ein sehr hübsches Tier, mit seidigem schwarzen Fell, nicht viel größer als die weißen Laboratoriumsratten und nicht annähernd so groß wie die braune Ratte, die bei ihrem Test verwendet worden war.
    Sie sah auch viel sauberer als die braune Ratte aus, eine Wanderratte, die nicht nur ausgesehen hatte, als ob sie in die Abwasserkanäle und U-Bahntunnels gehörte, sondern mit ihrem glanzlosen graubraunen Fell und dem langen, obszön nackten Schwanz ohne Zweifel auch von dort gekommen war. Als Kivrin angefangen hatte, sich mit dem Mittelalter zu beschäftigen, hatte sie nicht verstehen können, daß die Menschen jener Zeit diese abscheulichen Tiere in ihren Scheunen und sogar Häusern geduldet hatten. Der Gedanke an die Ratte unter ihrem Bett oder in der Wand neben ihrem Bett hatte ihren Abscheu erregt. Aber diese Ratte sah tatsächlich sehr reinlich aus, mit ihren schwarzen Augen und dem glänzenden Fell. Ganz gewiß reinlicher als Maisry, und wahrscheinlich intelligenter. Sie sah harmlos aus.
    Als wollte sie dies beweisen, hob die Ratte das Stückchen Käse mit beiden Pfoten zierlich unter die Schnurrbarthaare und begann wählerisch daran zu knabbern.
    »Du bist aber nicht harmlos«, sagte Kivrin. »Du bist die Geißel des Mittelalters.«
    Die Ratte ließ das Stück Käse fallen und tat einen Schritt näher. Sie schnupperte, daß die langen Schnurrbarthaare zuckten, dann hielt sie sich mit den rosigen Händen an zwei der Metallbänder fest und schaute flehend heraus.
    »Ich kann dich nicht herauslassen, weißt du«, sagte Kivrin, und die Ratte stellte die Ohren auf, als verstünde sie jedes Wort. »Du frißt wertvolles Getreide und beschmutzt Nahrungsmittel und trägst Flöhe mit dir herum, und in achtundzwanzig Jahren werden deine Enkel und Urenkel halb Europa entvölkern. Wegen deinesgleichen sollte Imeyne sich sorgen, statt wegen französischer Spione und analphabetischer Pfarrer.« Die Ratte

Weitere Kostenlose Bücher