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Die Jahre des Schwarzen Todes

Die Jahre des Schwarzen Todes

Titel: Die Jahre des Schwarzen Todes Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Willis Connie
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daran, daß die Wolken sich verdichtet hatten und tiefer hingen. Kivrin legte ihren Umhang an und öffnete die Tür. Die Treppe war steil und an die Steinwand der Diele gebaut, und hatte kein Geländer. Agnes hatte Glück gehabt, daß sie sich nur das Knie aufgeschlagen hatte. Sie hätte Hals über Kopf auf den gestampften Lehmboden unten stürzen können. Kivrin hielt sich mit einer Hand an der Wand, um das Gleichgewicht zu wahren, und rastete auf halber Höhe und überblickte die Diele.
    Ich bin wirklich hier, dachte sie. Es ist wirklich 1320. Diele und Herdraum waren eins. Die zusammengeschobene Glut der Herdstelle in der Mitte des Raumes glomm dunkelrot, und ein wenig Licht drang von außen durch das Rauchloch oben und die schmalen Fenster herein, aber der größte Teil des Raumes lag im Halbdunkel.
    Kivrin spähte in der rauchigen Düsternis umher, um zu sehen, ob jemand da war. Um das Herdfeuer gruppiert waren die Sitzgelegenheiten: an der Rückwand, wo es am wenigsten zog, stand der schön geschnitzte Armstuhl des Hausherrn, daneben der etwas einfachere, seiner Frau, an die sich zu beiden Seiten die Sitzgelegenheiten der übrigen Familienmitglieder und des Gesindes anschlossen. An der Wand hinter dem Platz des Hausherren hing ein Wandteppich, und am anderen Ende des Raumes, wo der Ausgang war, führte eine Leiter durch eine Deckenöffnung zum Dachboden hinauf. An den Längswänden waren ein paar schwere hölzerne Tische mit einfachen, aber breiten Bänken aufgestellt, und an der Wand unter der Treppe stand eine schmalere Bank: die Bettlerbank. Und die Wand, an der sie stand, war die Schutzwand.
    Kivrin stieg die letzten Stufen hinunter und lief auf Zehenspitzen hinüber zur Schutzwand; trotzdem raschelten ihre Schritte laut in den trockenen Binsen, mit denen der Boden bestreut war. Die Schutzwand war eine dünne innere Trennwand, hinter der sich kleine Schlafkammern mit Alkoven oder einfachen Kastenbetten befanden, aber zwischen diesen Kammern führte ein schmaler Durchgang mit Haken zum Aufhängen von Umhängen zu einem Seiteneingang. Jetzt waren die Haken leer. Gut, dachte Kivrin; sie sind alle fort.
    Die Tür war offen. Neben ihr standen ein Paar Holzschuhe, ein hölzerner Eimer und Agnes’ Spielzeugwagen. Kivrin hielt inne, denn sie war wieder außer Atem und hätte sich gern niedergesetzt und ausgeruht, aber es gab keine Sitzgelegenheit, und nachdem sie vorsichtig Umschau gehalten hatte, trat sie auf den Hof hinaus.
    In dem abgeschlossenen Geviert war niemand zu sehen. Der Hof war uneben und entlang den Gebäuden mit rundlichen gelbgrauen Steinen gepflastert, aber in der Mitte, wo neben dem Brunnen ein aus einem Baumstamm gehöhlter Wassertrog stand, war die aufgeweichte Erde zertrampelt und voll von Huf- und Fußabdrücken. Dazwischen standen mehrere braune Wasserpfützen. Ein mageres, struppig aussehendes Huhn trank furchtlos aus einer der Lachen. Hühner wurden zu dieser Zeit nur ihrer Eier wegen gehalten, erinnerte sie sich. Die wichtigsten Schlachtgeflügel waren um 1300 Tauben und Enten.
    Und dort beim Tor war der Taubenschlag, und das kleine strohgedeckte Gebäude daneben mußte die Küche sein, und die anschließenden Gebäude, alle klein und ebenerdig, mußten Vorratsspeicher, Backhaus und Geräteschuppen sein. Gegenüber vom Wohnhaus lagen die Ställe mit mehreren Türen, dann folgte eine schmale Durchfahrt, und die vierte Hofseite wurde von der großen gemauerten Scheune eingenommen.
    Als erstes versuchte sie ihr Glück in den Stallungen. Agnes’ junger Hund kam auf seinen unbeholfenen großen Füßen herausgesprungen, um sie mit glücklichem Gejapse zu begrüßen, und sie mußte ihn rasch wieder hineindrängen und die schwarze Tür aus Holzplanken schließen. Von Blackie spielerisch umsprungen, ging sie durch das ganze Stallgebäude, aber Gawyn war offensichtlich nicht da. Er war auch nicht in der Scheune, in der Küche oder einem der anderen Nebengebäude, deren ansehnlichstes sich als das Brauhaus erwies. Agnes hatte gesagt, er würde nicht mit der Prozession gehen, um den Julblock zu schlagen, als sei es eine Selbstverständlichkeit, und Kivrin hatte angenommen, er müsse bleiben, um Haus und Hof zu bewachen; nun fragte sie sich, ob er Eliwys zu dem kranken Häusler begleitet habe.
    Wenn das der Fall ist, dachte sie, muß ich den Absetzort selbst suchen. Sie ging zurück zum Stall, blieb auf halbem Weg stehen. So schwach wie sie sich fühlte, würde es ihr nie gelingen, ohne Hilfe ein

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