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Die Jahre mit Laura Diaz

Die Jahre mit Laura Diaz

Titel: Die Jahre mit Laura Diaz Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Carlos Fuentes
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die sich an der Mauer der sterbenden Stadt aufgestellt hatte und in einen langen Umhang aus den Pelzen schwarzer, toter Tiere gehüllt war, eine blonde Spanierin, eine westgotische Göttin mit blauen Augen und einer Haarflut, die goldgelb wie der Sand in der Arena war.
    Was würden ihr die drei Männer sagen?
    Was konnten sie ihr sagen? Kein Wort. Nur die Erscheinung Basilio Baltazars wie ein doppelter Pfeil aus Lust und Leid des Lebens, die so untrennbar miteinander verbunden waren. Ihren Geliebten empfand sie wie einen Preis, den Preis dafür, die Lebensordnung umzukehren. Das ist die Liebe, dachte Pilar Méndez, als sie die drei Männer näher kommen sah.
    Basilio fiel auf die Knie und umarmte Pilars Knie, immer wieder sagte er: »Meine Liebste, meine Liebste, meine Liebste, meine Möse, meine Brüste, nimm mir nichts weg, mein Schatz, Pilar, ich bete dich an…«
    »Du, Domingo Vidal? Ein Kommunist, ein Feind?« fragte Pilar, weil sie dem Liebeskummer Basilio Baltazars gegenüber stark bleiben wollte.
    Vidal nickte mit kahlgeschorenem Kopf, die Mütze des Miliz-Soldaten in der Hand, als wäre Pilar eine Jungfrau, die Schmerzensreiche.
    »Und du, Jorge  Maura? Ein verräterisches Herrensöhnchen, das zu den Roten übergelaufen ist?«
    Jorge  umarmte sie, und sie schrie wie ein Tier, das Abscheu empfand, doch Maura sagte: »Ich lasse dich nicht los, du mußt es verstehen, du bist zum Tode verurteilt, verstehst du mich? Im Morgengrauen werden sie dich erschießen, dein eigener Vater hat den Befehl gegeben, dich zu erschießen, dein Vater, der Bürgermeister, der Âlvaro Méndez heißt, er wird dich töten, trotz unserer Bitten, trotz deiner Mutter…«
    Pilar Méndez' wahnsinniges Gelächter entsetzte Baltazar und ließ ihn aufspringen. »Meine Mutter?« Pilar lachte wie ein wildes Tier, eine wunderschöne Hyäne, eine Medusa ohne eigenen Blick. »Meine Mutter? Gibt es jemanden, der meinen Tod sehnlicher herbeiwünscht als diese Frau mit dem Schimpfnamen Clemencia das Dreckstück, sie, die mich fromm bis in den Tod machte, die mir meine Vorstellung von Sünde und Hölle eingeflößt hat? Diese Frau will nicht, daß ich lebe, sie will meinen Märtyrertod, den Tod einer Jungfrau, das glaubt diese dumme Gans, Jungfrau, Basilio, hörst du, wie lieb wäre es mir, wenn uns meine Mutter Clemencia an dem Abend gesehen hätte, als du mein Jungfernhäutchen herausgerissen hast, du hast es mir abgebissen, du hast meine blutige Membrane ausgespuckt, als wäre sie Rotz oder eine verfaulte Hostie, Basilio, erinnerst du dich, du bist in mich eingedrungen, wie Wolf und Wölfin ineinander eindringen, von hinten, ohne mir ins Gesicht zu sehen, erinnerst du dich daran, in dem alten Haus ohne Möbel, in das ich dich gebracht hatte, mein angebeteter Liebster, mein einziger Mann, glaubst du, du hättest das Recht, mich zu retten, wenn meine eigene Mutter will, daß ich sterbe, als Märtyrerin der nationalen Bewegung, als Heilige, die ihr das Gewissen rettet, Clemencia mit dem guten Namen, die Mutter, die mich haßt, weil ich nicht geheiratet habe, wie sie es wollte, statt dessen habe ich mich einem armen Jungen mit verdächtigen Ideen hingegeben, mein schöner, mein angebeteter Basilio Baltazar, was suchst du hier, was wollen du und deine Freunde, seid ihr verrückt geworden, wißt ihr nicht, daß ihr meine Feinde seid, wißt ihr nicht, daß ich gegen euch bin? Ich ließe euch alle erschießen im Namen Spaniens und Francos, ich will nicht, daß Dornen auf den alten Wegen des spanischen Todes wachsen, die er mit meinem Blut reinigen will…«
    Vidal hielt ihr den Mund zu, als verschlösse er eine Kloake, Maura zwang sie, die Arme zu verschränken, Baltazar kniete vor ihren Füßen nieder. Alle sagten es mit ihren eigenen Worten, und doch sagten ihr alle das gleiche: »Wir wollen dich retten, komm mit uns, sieh die Flammenzeichen auf den Bergen, die noch nicht erloschen sind, dort finden wir Zuflucht, dein Vater hat seine Pflicht erfüllt, er hat den Befehl gegeben, dich im Morgengrauen zu erschießen, wir werden gegen unsere Pflicht verstoßen, komm mit uns, laß dich von uns retten, Pilar, selbst wenn der Preis dafür unser eigener Tod ist.«
    »Warum, Jorge?« fragte Laura Dïaz.
    Trotz des Krieges. Trotz der Republik. Trotz des väterlichen Willens. »Meine Tochter muß im Namen der Gerechtigkeit sterben«, sagte der Bürgermeister von Santa Fe de Palencia. – »Sie muß im Namen der Liebe gerettet werden«, sagte Basilio Baltazar.

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