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Die Jahre mit Laura Diaz

Die Jahre mit Laura Diaz

Titel: Die Jahre mit Laura Diaz Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Carlos Fuentes
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klebte, der des Marmors und der Bronze unwürdig war. Jorge  blickte Laura an: »Verzeih mir. Wie schön du aussiehst.«
    Carlos Châvez würde das Nationale Sinfonieorchester bei seiner eigenen »Sinfonia India« und bei Prokofjews »Liebe zu den drei Orangen« dirigieren, und der Pianist Nikita Magaloff würde Chopins erstes Klavierkonzert spielen, das Tante Hilda in Catemaco so erfolglos geübt hatte.
    »Wie gern hätte ich es, daß unsere Leute kein einziges Verbrechen begangen hätten.«
    »So muß Armonia Aznar gewesen sein. Eine Frau, die ich gekannt habe. Oder genauer gesagt, die ich nicht gekannt habe. Ich mußte sie erraten. Ich danke dir, daß du mir das alles ohne Geheimnisse, ohne verschlossene Türen anvertraust. Danke, mein Hidalgo. Durch dich fühle ich mich besser, reiner, klarer im Kopf.«
    »Nein, entschuldige. Es ist ja schon beinahe eine Schmierenkomödie. Wir kommen zusammen und wiederholen die gleichen alten, abgedroschenen Sätze wie in einem dieser Madrider Lustspiele von Munoz Seca. Du hast es doch selbst gesehen. Jeder wußte genau, was er sagen mußte. Vielleicht ersticken wir so unseren Kummer. Ich weiß nicht.«
    Er umarmte sie im Säulengang des Palastes, während die trübe und unheimliche mexikanische Nacht sie umfing. »Ich habe diesen endlosen Kampf satt. Ich möchte ohne ein anderes Vaterland als das des Geistes leben, ohne ein anderes Vaterland.«
    Sie faßten sich um die Taille, machten kehrt und liefen zur Cinco de Mayo zurück. Ihre Worte erstarben wie die Lichter in den Schaufenstern der Süßwarenläden, Buchhandlungen und Lederwarengeschäfte. Dafür leuchteten die Laternen an der Ave-nida auf und bahnten einen hellen Pfad bis zur Seite der großen, von Juan de Herrera inspirierten Kathedrale, wo sie ein Jahr zuvor, am 18. März, die Nationalisierung des Erdöls gefeiert hatten, sie zusammen mit Juan Francisco, Santiago und Danton, und, von ihnen entfernt stehend, Jorge , der sie mit dem Hut in der hocherhobenen Hand grüßte, ein persönlicher Gruß, aber auch eine politische Freudenbekundung über die Köpfe der Menge hinweg, er begrüßte sie und verabschiedete sich gleichzeitig, erklärte ihr, ich liebe dich, leb wohl, ich bin schon zurückgekehrt und liebe dich weiter…
    Im Café de Paris sagte Barreda zu Gorostiza und Villaurrutia, nachdem er sie längere Zeit beobachtet hatte, sie sollten erraten, worüber Spanier bei einer Tertulia sprächen. Über Politik? Kunst? Nein, über Jabugo-Schinken. Er trug ihnen dazu noch zwei Bibelzeilen vor, die ein hirnrissiger Spanier in Verse gebracht hatte und die Belsazars Festmahl schilderten:
    »Burgund, Valdelamasa, Rhein: Das müssen viele Würste sein.«
    Villaurrutia erklärte, ihm gefielen die mexikanischen Spanierwitze nicht, und Gorostiza fragte sich, warum die Mexikaner eine solche Geisteshaltung einem Land gegenüber hätten, das ihnen seine Kultur, seine Sprache und sogar die Rassenmischung gegeben habe.
    »Frag doch Cuauhtémoc, wie es ihm mit den Spaniern beim gemeinsamen Imbiß ergangen ist.« Barreda lachte. »Da gab es seine gegrillten Beine!«
    »Nein«, Gorostiza lächelte, »es geht darum, daß wir nicht gern den Siegern recht geben. Wir Mexikaner haben zu viele Niederlagen erlitten. Wir lieben die Unterlegenen. Die gehören zu uns. Das sind wir.«
    »Gibt es Sieger in der Geschichte?« fragte Villaurrutia, der von Traum, Wehmut oder Todesgedanken überwältigt wurde.
    Wer kann das wissen? dachte die hübsche, intelligente, schweigsame Carmen Barreda.

 
XIV. Der Ort aller Orte: 1940
     
    Er fuhr nach Havanna, Washington, New York und Santo Domingo, er schickte ihr Telegramme ins Hotel L'Escargot, und manchmal rief er sie zu Hause an, sagte aber nur etwas, wenn er ihre Stimme hörte und sie erklärte: »Nein, wir haben Ericsson, nicht Mexicana«, das war der vereinbarte Code, daß »die Luft rein war«, daß Ehemann und Kinder nicht da waren, obwohl sich Jorge  Maura nicht immer darum kümmerte, dann redete er, und sie schwieg oder gab Albernheiten von sich, weil ihr Mann oder die Kinder in der Nähe waren: »Nein, ich brauche den Klempner noch heute«, »Wann ist das Kleid fertig?« oder auch: »Wie teuer alles geworden ist! Der Krieg kommt also tatsächlich«, während Jorge  sagte: »Das sind die besten Tage unseres Lebens, glaubst du nicht? Warum antwortest du nicht?«, und sie lachte nervös, und er sagte: »Wie gut, daß wir ungeduldig waren, meine Liebste, kannst du dir vorstellen, was wäre, wenn wir

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