Die Jahre mit Laura Diaz
Bartolomé eingerichtet. Dort blies ein heißer Wind, der den Wüstenstaub aus Afrika herbrachte und die Bauern zwang, ihre armseligen Saatfelder mit dornenbekrönten Mauern zu schützen.
»Die ganze Insel ist von Steinmauern durchzogen, um die Ernten zu sichern, die Erde selbst mit einer Lapilli-Decke geschützt, um die nächtliche Feuchtigkeit zurückzuhalten, damit die Weinstöcke besser wachsen.«
Sie blickte sich in der Steinhütte um. Hier drinnen gab es nur ein Feldbett, einen Tisch mit einem einzigen Stuhl und ein armseliges Regal, darauf ein paar Teller und Zinnbestecke für einen einzigen Benutzer sowie ein halbes Dutzend Bücher.
Sie hatten ihm die Hütte gegeben, damit er sich nicht als vollberechtigtes Mitglied des Klosters fühlte, aber auch, damit sie den Behörden sagen konnten, sollten die sich erkundigen, daß er nicht im Kloster lebe, ein Angestellter sei, ein Gärtner. Als sie ihn aufnahmen, wichen sie von ihrer eigenen Regel ab, jedoch unter der Bedingung, daß er sich mit der Gefahr abfand, das Kloster immer wieder verlassen und betreten zu müssen, sich nie ganz sicher zu fühlen.
Jorge Maura verstand, was das Angebot der Mönche bedeutete. Sollte es ein Problem geben, konnten sie immer sagen, daß Maura nicht bei ihnen lebte, er verrichte seine Andachten in der Kapelle, arbeite in Haus und Garten, ja, es sei eine Art unsichtbare Gartenarbeit, ein dem Stein abgerungenes Bildhauerwerk, eine Saat im vulkanischen Felsen, doch stehe er nicht unter dem Schutz des Ordens. Der Beweis war, daß er draußen lebte, im Dorf San Bartolomé, und den umherwehenden Staub atmen mußte, der anscheinend nach seiner Sanduhr, seiner Glasröhre suchte, um eine Zeit zu messen, die ohne Behältnis wie der Sand selbst verlorengehen würde: die Dïazpora der Wüste.
Sie sagten es nicht geradeheraus, doch gaben sie es ihm beharrlich und zaghaft zu verstehen. Sie hatten eine Dankesschuld der Familie Maura gegenüber, deren Schenkung es ermöglicht hatte, das Kloster auf Lanzarote zu bauen. Dabei hätte es, um ihm Schutz anzubieten, schon reichen sollen, daß er während des Krieges mit Hilfsorganisationen zusammengearbeitet hatte, die Decken, Medikamente und Nahrungsmittel für die Ärmsten bereitstellten, für Bombenopfer, Kriegsgefangene, Häftlinge in den Konzentrationslagern, darunter zahlreiche katholische Nazigegner. Hitler verspottete die katholische Frömmigkeit der Franquisten, für ihn waren die Katholiken ebensolche Feinde wie die Kommunisten oder die Juden, Abschaum, und Pius XII. sagte kein Wort, um Katholiken oder Juden zu verteidigen. Der Heilige Vater war ein verachtungswürdiger Feigling.
Jorge Maura war als Heimatvertriebener nach Stockholm übergesiedelt, wo er mit den Hilfsorganisationen zusammenarbeitete, die von der schwedischen Regierung und vom Roten Kreuz ins Leben gerufen wurden. Nach dem Krieg lebte er in London und wurde britischer Staatsbürger. England hätte Hitler in Spanien aufhalten können, und es hatte seine Preisgabe der spanischen Republik heldenhaft gesühnt. Während the Blitz, Hitlers Großangriffe, auf London niedergingen, widerstanden die Engländer den täglichen Bombardements der Luftwaffe, ohne daß ihnen jemand half. Nach dem Krieg fuhren die reiselustigen Briten wieder nach Spanien. Aber Jorge Maura suchte nicht Sonne und Exotik. Er hatte für die Republik gekämpft, und der Rachedurst des Franquismus war längst nicht befriedigt. Ob sie einen Untertanen S. M. Georgs VI. respektieren würden? Oder sähen sie eine Möglichkeit, einen Roten gerichtlich zu belangen, der ihnen entwischt war?
Die Mönche verstanden das alles. Warum richteten sie es trotzdem so ein, daß er das Kloster verlassen und der Guardia Civil begegnen konnte, daß er womöglich erkannt oder denunziert wurde? Suchte er selbst, Maura, dieses Wagnis? Warum suchte er es? Um die Mönche von jeder Verantwortung freizusprechen? Oder wollte er sich der Gefahr aussetzen, sich selbst beweisen, die unverdiente Sicherheit verweigern, wie er Laura an dem Tag sagte, als er sie traf, an dem Tag, als sie nach Lanzarote kam, um ihn zu besuchen? Eine Sicherheit, auf die niemand ein Recht hatte, weder er noch ein anderer.
»Wozu soll ich dich belügen, Liebster. Ich bin deinetwegen hier. Ich bitte dich, mit mir nach Mexiko zurückzukommen. Ich will, daß du in Sicherheit bist.«
Sie wollte ihn verstehen. Ganz freimütig hatte sie ihm gesagt, doch wer weiß, ob dies auch klug war: »Ich liebe dich immer noch,
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