Die Jahre mit Laura Diaz
hatte.
»Um den Preis meiner Liebe zu dir, für…«
»Unsere Liebe, uns…«
»Warum hilft uns niemand?« fragte sie schluchzend. »Warum erlauben uns die Amerikaner nicht die Einreise, warum geben uns die Kubaner kein Asyl, warum antwortet der Papst nicht auf die flehentlichen Bitten seines Volkes und des meinen, Eli, eli, lama sabachthani?, warum hast du uns verlassen, bin ich nicht eine unter vierhundert Millionen Gläubigen, die der Heilige Vater aufbieten kann, um mich zu retten, nur mich, eine zum katholischen Glauben konvertierte Jüdin?«
Ich sei gekommen, um sie zu retten, sagte ich, während ich ihr Haar streichelte. Das an diesem Februarmorgen vom stürmischen, kalten Wind zerzauste Haar. Ich sah Raquels Haar und spürte, wie stark der Wind wehte, und trotzdem hing die Reichsfahne am Bug reglos, ohne zu flattern, als wäre sie mit Blei beschwert.
»Du?«
Raquel hob den dunklen Blick. Schwarze, zusammengewachsene Brauen, braune sephardische Haut, zum Gebet halbgeöffnete Lippen, Tränen, das Abbild einer Frucht, eine lange und vibrierende Nase. Ich sah ihre Augen wieder.
Ich sagte zu ihr, ich sei da, um sie vom Schiff zu holen, sei gekommen, um sie zu heiraten, das sei die einzige Möglichkeit, damit sie in Amerika bleiben könne, als meine Frau wäre sie spanische Staatsbürgerin, sie könnten sie dann nicht mehr anrühren, die kubanischen Behörden seien einverstanden, ein kubanischer Richter komme für die Zeremonie an Bord.
»Und der Kapitän? Hat der Kapitän nicht das Recht, uns zu trauen?«
»Wir sind in kubanischen Hoheitsgewässern, er hat nicht…«
»Du belügst mich. Natürlich hat er das Recht dazu. Aber seine Angst ist größer. Wir alle haben Angst. Diese Bestien haben es geschafft, die ganze Welt einzuschüchtern.«
Ich packte sie bei den Armen, das Schiff sollte in wenigen Stunden die Rückfahrt antreten, und niemand würde ins Reich heimgekehrte Juden wiedersehen, »niemand, Raquel, vor allem nicht dich und die Passagiere auf diesem Schiff, ihr habt euch schuldig gemacht, weil ihr fortgegangen seid und keine Zuflucht gefunden habt, stell dir nur den Lachanfall des Führers vor: ›Wenn niemand sie haben will, was will ich dann mit ihnen?‹«
»Warum wendet sich der Nachfolger des .heiligen Petrus, der ein jüdischer Fischer war, nicht öffentlich gegen jene, die seine Nachfahren, die Juden, verfolgen?«
Sie solle nicht an so etwas denken, sie werde meine Frau, und dann könnten wir gemeinsam gegen das Übel kämpfen, denn wir hätten das Gesicht des Bösen schließlich in allen Leiden dieser Zeit kennengelernt, sagte ich zu ihr. »Zumindest das eine haben wir gewonnen: Du weißt, welches Gesicht der Satan hat, Hitler hat ihn bloßgestellt, weil er ihm das Gesicht gegeben hat, das ihm Gott genommen hatte, als er ihn in den Abgrund stürzte: Zwischen Himmel und Erde löschte ein Orkan wie der, der sich jetzt Kuba nähert, die Züge Luzifers aus und ließ ihn mit einem Gesicht zurück, das weiß wie ein Laken war, und das Laken stürzte in den Höllenkrater und bedeckte den Leib des Teufels, der fortan auf den Tag seiner Wiederkunft wartete, genau wie Johannes es angekündigt hatte: ›Ich sah ein Tier aus dem Meer steigen, das hatte sieben Häupter und zehn Hörner, und das Volk betete das Tier an, wer könnte mit ihm kämpfen? Und aus seinem Mund kamen prahlerische und lästerliche Reden, und es ward ihm Macht gegeben, mit den Heiligen Krieg zu führen und sie zu besiegen.‹ Heute wissen wir, wer das Tier ist, das Johannes vorausgeahnt hat. Wir werden gegen das Tier kämpfen. Es ist ein Kotfleck auf der Fahne Gottes.«
Meine Liebste.
»Als Katholikin bete ich für das jüdische Volk, das bis zur Ankunft Christi die Offenbarung bewahrt hat.«
»Christus hatte auch ein Gesicht.«
»Du willst sagen, Christus hatte wirklich ein Gesicht. Er wählte Magdalena aus, um den einzigen Beweis seines Bildes zu hinterlassen.«
»Dann kennst du das Gesicht des Guten, aber auch das Gesicht des Bösen, das Gesicht Jesu und das Gesicht Hitlers.«
»Ich will nicht das Gesicht des Guten kennenlernen. Wenn ich Gott sehen könnte, müßte ich auf der Stelle erblinden. Gott darf nie angesehen werden. Es wäre das Ende des Glaubens. Gott läßt sich nicht ansehen, damit wir an Ihn glauben.«
Er mußte sie außerhalb des Klosters empfangen, weil die Mönche die Anwesenheit von Frauen nicht erlaubten. Sie hatten ihm zwar eine Zelle gegeben, ihm aber auch eine Hütte in der Nähe des Dorfes San
Weitere Kostenlose Bücher