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Die Jahre mit Laura Diaz

Die Jahre mit Laura Diaz

Titel: Die Jahre mit Laura Diaz Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Carlos Fuentes
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Eine leidenschaftliche, hinausgezögerte, lautstarke, unverhofft von beiden gesagte und hinausgeschriene Hingabe, als kämen beide aus einem Gefängnis, das sie allzulange festgehalten hatte, und gleich dort, am Ausgang der Strafanstalt, an der anderen Seite des Gitters, würde Laura auf Harry und Harry auf Laura warten.
    »My baby, my baby.«
    »We'll see tomorrow. «
    »Ich bin ein alter jüdischer, reicher Produzent, der eigentlich keinen Grund hat, hier zu sein, das bin ich nur, weil ich das Schicksal der jungen jüdischen Städter teilen will, gegen die sich die Verfolgungen McCarthys richten.«
    »Weißt du, was es bedeutet, jeden Morgen damit zu beginnen, daß du dir sagst, das ist der letzte Tag, an dem ich in Frieden lebe?«
    »Wenn du hörst, daß es an deine Tür pocht, weißt du nicht, ob es Räuber, Bettler, Polizisten, Wölfe oder bloß Termiten sind…«
    »Wie kannst du herausbekommen, ob der Mensch, der dich besucht und behauptet, von jeher dein Freund gewesen zu sein, nicht schon dein Verräter ist, wie willst du das wissen?«
    »Ich bin in Cuernavaca im Exil, weil ich den Gedanken an eine zweite Befragung nicht ertragen kann.«
    »Es gibt etwas Schlimmeres, als die Verfolgung am eigenen Leib zu ertragen, und das ist, den Verrat anderer mit anzusehen.«
    »Laura, wie sollen wir unseren Schmerz und unser Schamgefühl miteinander vereinbaren?«
    »My baby, my baby. «

 
XX. Tepoztlân: 1954
     
    »Ich muß für immer schweigen.«
    Sie wollte ihn in ein Krankenhaus nach Mexico-Stadt schaffen. Er wollte in Cuernavaca bleiben. Sie einigten sich darauf, einige Zeit in Tepoztlân zu verbringen. Laura stellte sich vor, daß der schöne und einsame Ort ihnen beiden als Zuflucht dienen könnte, ein langgestrecktes subtropisches Tal, das von eindrucksvollen pyramidenförmigen Bergen umgeben war, steil aufragenden Massen ohne Hänge oder Hügel in ihrem Umkreis, geradlinig und herausfordernd wie große Steinmauern, um die Zuckerrohr- und Krautflächen, die Reis- und Orangenplantagen zu schützen. Vielleicht würde sich Harry entschließen, wieder zu schreiben, sie kümmerte sich um ihn, das war die Rolle, die sie übernommen hatte, ohne zweimal darüber nachzudenken; die in den letzten zwei Jahren zwischen den beiden entstandene Bindung war unauflöslich, sie brauchten einander.
    Tepoztlân würde ihren zarten, geliebten Harry gesund machen; dort war er weit von den tragischen Zeremonien entfernt, die sich in Cuernavaca unablässig wiederholten. Das Häuschen, das sie gemietet hatten, wurde gleichsam von zwei gewaltigen, hochaufragenden Dämmen geschützt, aber auch verdunkelt: dem Gebirge und der riesigen Kirche, die Kloster und Festung war, von den Dominikanern im Wettstreit mit der Natur gebaut, wie es in Mexiko so oft geschieht. Harry wies sie auf diese mexikanische Neigung hin, eine mit der Natur wetteifernde Architektur zu gestalten, Nachahmungen von Bergen, Abgründen, Wüsten. Das Häuschen in Tepoztlân wetteiferte mit nichts, deshalb hatte Laura Dïaz es ausgesucht. Es war ein schlichtes Gebäude aus nackten Luftziegeln und lag an einer ungepflasterten Straße, auf der mehr herrenlose Hunde als Menschen liefen, doch drinnen, hinter der Mauer, ließ sich jene andere mexikanische Fähigkeit erkennen, der Übergang von einer armseligen, ungepflegten Ortschaft zu einer grünen Oase mit melonenfarbenen Pflanzen, sauberen Brunnen, ruhigen Patios und kühlen Gängen, die scheinbar aus weiter Ferne herreichten und niemals endeten. Sie hatten nur ein Schlafzimmer mit einem alten und primitiven Bett, ein winziges, mit ramponierten Fliesen geschmücktes Bad und eine Küche wie die in Lauras Kindheit, ohne elektrische Apparate, nur mit Kohleherden, für die man einen Fächer brauchte, um in ihnen Feuer zu entfachen, und mit einem Eisschrank, der den täglichen Besuch des Eishändlers verlangte, um die Dos-Equis-Flaschen kühlzuhalten, die Harrys Hochgenuß waren. Das Leben im Haus spielte sich rund um den Patio ab, dort standen die Korbstühle und der weiche Ledertisch, an dem sich schwer schreiben ließ und der mit allzu vielen runden, feuchten Bierflecken bedeckt war. Die Hefte und Füllhalter blieben in einer Schublade des Schlafzimmers liegen. Als Harry wieder mit dem Schreiben begann, las Laura heimlich die Seiten in den billigen Schulheften, in denen die Tinte aus Harrys Ester-brook verlaufen war. Er wußte, daß sie es las, sie wußte, daß er es wußte, sie sprachen nicht darüber.
    »Jacob Julius

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