Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Die Jahre mit Laura Diaz

Die Jahre mit Laura Diaz

Titel: Die Jahre mit Laura Diaz Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Carlos Fuentes
Vom Netzwerk:
Garfinkle die ideale Persönlichkeit für eine Durchleuchtung durch den Kongreß zu sein. Er verkörperte den typischen – verdächtigen, braunhäutigen, fremdländischen, semitischen – Feind Amerikas. Und er hatte nicht die geringste Schuld. Das war für McCarthy entscheidend: den Unschuldigen zu zerschmettern. Er hatte nicht die geringste Schuld, und doch warfen sie ihm alles vor: daß er Solidaritätserklärungen für Stalin während der Moskauer Säuberungen unterschrieben und während des Kriegs die Eröffnung einer zweiten Front verlangt hätte, daß er ein heimlicher Kommunist wäre und die Partei mit dem Geld der amerikanischen Patrioten finanzierte, das ihm Hollywood bezahlt hätte; und daß er öffentlich für die Armen und Entrechteten eingetreten sei (das allein genügte, um verdächtig zu sein, er hätte statt dessen Gerechtigkeit für die Reichen und Mächtigen verlangen sollen…). Als ich ihn das letzte Mal sah, war seine Wohnung in Manhattan ein wildes Durcheinander mit aufgerissenen Schubladen und umherliegenden Papieren, seine Frau starrte ihn verzweifelt wie einen Verrückten an, und Julie Garfield suchte in Scheckheften, Brieftaschen, Aktenordnern, zwischen alten Büchern und in zerflederten Mappen den Nachweis für die Schecks, die sie ihm zur Last legten, und dabei schrie er: ›Warum lassen sie mich nicht in Frieden?‹ Er hatte Mut, aber er beging den Fehler, die Einladung anzunehmen, die der Ausschuß an all jene gerichtet hatte, die sich für zu Unrecht beschuldigt hielten. Denn vor dem Ausschuß zu erscheinen, genügte bereits als Schuldbeweis. Der Verdacht wurde sofort von den Ultrareaktionären Hollywoods, Ronald Reagan, Adolphe Menjou oder der Mama von Ginger Rogers bestätigt, und schon leiteten die Kongreßabgeordneten diese Informationen an die Hollywooder Klatschkolumnisten weiter. Hedda Hopper, Walter Winchell, George Sokolsky, sie alle lebten vom Blut der Opfer, wie Draculas aus Tinte und Papier. Die American Legion mobilisierte sofort und bereitwillig ihre Heerscharen von Veteranen, um die Kinos zu blockieren und so zu verhindern, daß das Publikum die Filme sah, in denen ein Verdächtiger spielte, zum Beispiel John Garfield. Das Studio, das die Filme produzierte, konnte dann sagen, was sie zu Garfield sagten: ›Du bist ein Risiko. Du gefährdest die Sicherheit des Studios.‹ Und ihn entlassen. ›Bitte um Entschuldigung, Julie, gestehe und lebe in Friedens – ›Nenne Namen, Julie, oder es ist Schluß mit deiner Karrieren Da wurde der Straßenjunge aus den Armenvierteln New Yorks nackt und stumpfnasig wiedergeboren, mit den geballten Fäusten und der rauhen Stimme. ›Nur ein Dummkopf verteidigt sich gegen solche Dummköpfe wie McCarthy. Glaubst du, ich bin von dem abhängig, was ein armer Teufel wie Ronald Reagan sagt? Laß mich weiter an meine menschliche Natur glauben, Harry, laß mich weiter glauben, daß ich eine Seele habe.‹ –›Wir können dich nicht beschützen‹, sagte ihm Hollywood zuerst. Danach: ›Wir können dich nicht mehr beschäftigen^ Und schließlich: ›Wir werden Beweise gegen dich liefern.‹ Die Gesellschaft, das Studio gingen gegen ihn vor. ›Du verstehst, Julie, du bist ein einzelner. Wir beschäftigen Tausende von Leuten. Sollen die verhungern?‹
    Julie Garfinkle starb mit neununddreißig Jahren an einem Herzanfall. Kann sein, daß das stimmt. Sein Herz war überlastet und konnte jeden Augenblick explodieren. Tatsächlich fand man ihn tot im Bett einer seiner zahlreichen Geliebten. Ich behaupte, daß John Garfield beim Bumsen starb und daß so etwas ein beneidenswerter Tod ist. Beim Begräbnis sagte der Rabbiner, Julie sei wie ein Meteor aufgetaucht und wie ein Meteor verschwunden. Abraham Polonsky, der Regisseur von Force of Evil, einem der letzten Filme Julies – und vielleicht seinem besten –, sagte: ›Er hat seine Ehre als Junge von der Straße verteidigt, und darum haben sie ihn umgebrachte Sie haben ihn umgebracht. Er ist gestorben. Zehntausend Leute sind an seinem Sarg vorbeigezogen, um von ihm Abschied zu nehmen. Kommunisten? Von Stalin entsandte Agenten? Clifford Odets weinte auf seinem Begräbnis, der Autor von Golden Boy und Star der literarischen Linken, den der Kongreßausschuß zum Verräter gemacht hatte: Zuerst hatte er die Toten verraten, weil er dachte, ihnen könne er nicht mehr schaden, dann verriet er die Lebenden, um sich selbst zu retten, und am Ende verriet er sich selbst, als er wie so viele andere sagte: ›Ich

Weitere Kostenlose Bücher