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Die Jahre mit Laura Diaz

Die Jahre mit Laura Diaz

Titel: Die Jahre mit Laura Diaz Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Carlos Fuentes
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für sich und einsam waren oder daß sie, was seltener geschah, sich auf eine teuflische, unschuldige Weise in einer eisigen, rein körperlichen Begegnung umschlungen hielten, und ob nun einsam oder gemeinsam, die Gestalten hatten keinen Bezug zu irgendwelchen Landschaften, Wohnungen oder Räumen, wie in einem ironischen Rückgriff des modernen Künstlers auf die alte Kunst. Der Expressionist Schiele war zur byzantinischen Malerei zurückgekehrt, in der die Gestalt Gottes, des Weltschöpfers, vor aller Schöpfung in der absoluten Leere der einsamen Majestät festgehalten wird.
    Das Bild Santiagos übernahm zweifellos die gepeinigten Gestalten Schieies, doch wie in einer Wiedergeburt der Renaissance gab es ihnen das gleiche zurück, was Giotto und Masaccio der alten byzantischen Ikonographie hinzugefügt hatten: Atmosphäre, Landschaft, Raum. Der nackte, ausgemergelte, von unsichtbaren Dornen durchbohrte, junge bartlose Mann auf Santiagos Bild, dessen Gesicht ein unüberwindliches Leiden zeigte, eine ihn verzehrende Krankheit – war der Körper auch äußerlich unversehrt, so war er doch von innen her bezwungen –, dieser junge Mann richtete seinen inbrünstigen Blick auf den Bauch der nackten, schwangeren, blonden Frau – Laura suchte sogleich nach Vorbildern in den von Santiago gesammelten Büchern: Sie glich vollkommen den Evas Holbeins und Cranachs, die sich damit abfanden, den einer Rippe beraubten Mann mit ihrer Untätigkeit zu überwinden, Santiagos Eva jedoch war vom Verlangen entstellt. Die »alten« Evas waren gefühllos, verhängnisvoll, die hier, die »neue« Eva Santiagos des Jüngeren, teilte die Angst des krampfhaft zuckenden, verdammten Adam, der so eindringlich ihren Bauch anstarrte, während sie, Eva, ebenso eindringlich in seine Augen sah, und beide – erst jetzt bemerkte Laura dieses gleichwohl offenkundige Detail – setzten nicht die Füße auf die Erde. Sie schwebten nicht. Sie stiegen empor. Laura fühlte sich tief gerührt, als sie das Bild ihres Sohnes Santiago begriff. Dieser Adam und diese Eva fielen nicht. Sie stiegen empor. Zu ihren Füßen verschmolzen Apfelschale und Schlangenhaut zu einer einzigen Form. Adam und Eva entfernten sich aus dem Garten der Lüste, doch sie fielen nicht in die Hölle des Leids und der Arbeit. Ihre Sünde war eine andere. Sie stiegen auf. Sie empörten sich gegen die göttliche Verdammnis – du sollst von dieser Frucht nicht essen – und stiegen auf, anstatt zu fallen. Durch Sexualität, Empörung und Liebe wurden Adam und Eva die Protagonisten des Aufstiegs der Menschheit, nicht des Sündenfalls. Das Übel der Welt lag darin, zu glauben, der erste Mann und die erste Frau wären gefallen und hätten uns zu einem sündhaften Erbe verdammt. Für Santiago war die Schuld Adams und Evas nicht erblich, es ging nicht einmal um Schuld, das Drama des irdischen Paradieses war ein Triumph der menschlichen Freiheit über die Tyrannei Gottes. Es war kein Drama. Es war Geschichte.
    Im Hintergrund des Bildes entdeckte Laura die winzige Darstellung – wie auf dem »Ikarus« Brueghels – eines Schiffes mit schwarzen Segeln, das sich von den Küsten des Gartens Eden entfernte und einen einsamen Passagier an Bord hatte, eine zierliche Gestalt, die auf sonderbare Weise geteilt war, mit einem halben engelhaften Gesicht und einer zweiten, diabolischen Hälfte, einer blonden und einer roten Hälfte, und der Leib selbst, der in einem Umhang von der Länge der Schiffssegel steckte, gehörte Engel und Teufel gemeinsam, und beide, erriet Laura, waren Gott, mit einem Kreuz in der einen Hand und einer Gabel in der anderen: zwei Folter- und Todesinstrumenten. Die Liebenden stiegen empor. Wer fiel, war Gott. Santiago hatte den Fall Gottes gemalt: einen Rückzug, eine Distanz, ein Staunen im Antlitz des Schöpfers, der bestürzt den Garten Eden verläßt, weil sich seine Geschöpfe empört haben; sie haben beschlossen, aufzusteigen und nicht zu fallen, sie haben sich über den ruchlosen Ratschluß Gottes hinweggesetzt, der darin besteht, die Welt nur zu erschaffen, um die eigene Schöpfung zur Sünde zu verdammen, Generation für Generation, damit Mann und Frau sich in alle Ewigkeit Gott unterlegen, von Gott abhängig, von Ihm verdammt fühlen, ein reiner Willkürakt – vor der erneuten Verdammnis.
    Hinten auf das Bild, auf die Leinwand, hatte Santiago geschrieben: »Kunst ist nicht modern. Kunst ist ewig. Egon Schiele.«
    Die Linie herrschte über die Farbe. Gerade deshalb waren

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