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Die Jahre mit Laura Diaz

Die Jahre mit Laura Diaz

Titel: Die Jahre mit Laura Diaz Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Carlos Fuentes
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New Yorker Exil und zur Denunziation durch Dali (»Buñuel ist Kommunist, Atheist, Gotteslästerer und Anarchist, wie können Sie ihn im Museum of Modern Art beschäftigen?«), bis er schließlich mit vierzig Dollar in der Tasche nach Mexiko gekommen war.
    Humor, Zorn und Tagträume leuchteten unablässig und gleichzeitig in Buñuels grünen Augen auf, sein Blick verharrte an einem bestimmten Punkt der Vergangenheit, und Laura fotografierte das Kind aus dem aragonischen Dorf Calanda, das am Karfreitag die Trommeln schlug, bis ihm die Hände bluteten, um sich von der sinnlichen Faszination des Bildes der Virgen del Pilar, der »Muttergottes auf dem Pfeiler«, zu befreien, die Bett und Onanie seiner Kindheit beschützte.
    Dank der Vermittlung des baskischen Schriftstellers Carlos Blanco Aguinaga konnte Laura den wunderbaren, aus Malaga stammenden Dichter Emilio Prados fotografieren, den sie schon zusammen mit Jorge  Maura kennengelernt hatte. Prados versteckte sich in zwei Zimmern an der Galle de Lerma zwischen Haufen von Büchern und Papieren. Krankheit und Exil prägten seine Gesichtszüge, und doch vermochte er das Leid in zwei Wesensmerkmale zu verwandeln, die Laura festhalten konnte: in eine grenzenlose Sanftmut – wie die eines unerlösten andalusi-schen Heiligen –, die von einer Kaskade weißer Haarsträhnen und einer Brille mit den dicken Aquariengläsern verschleiert wurde, als schämte sich der Dichter seiner Unschuld; und in seine lyrische Kraft hinter Leid, Armut, Enttäuschung, Alter und Exil.
    »Könnte ich dir geben
    alles Licht des Morgens…
    So kreuzte ich langsam,
    wie die Sonne, deine Brust,
    bis ich am Abend ginge
    ohne Blut und ohne Schmerz…«
    Manuel Pedroso war ein alter, weiser Andalusier, der ehemalige Rektor der Universität Sevilla. Er wurde von der kleinen Gruppe seiner Schüler abgöttisch verehrt, die ihn jeden Tag auf seinem Weg von der Juristischen Fakultät am Zöcalo zu seiner kleinen Wohnung in der Galle de Amazonas begleiteten. Laura dokumentierte mit ihren Bildern diesen täglichen Weg und auch die Tertulias in der Bibliothek des Lehrers, die von alten, nach tropischem Tabak riechenden Drucken überquoll. Die Franquisten hatten seine Bibliothek in Sevilla verbrannt, aber in den Antiquariaten von La Lagunilla, dem Diebesmarkt von Mexico-Stadt, beschaffte sich Pedroso ein neues Kleinod nach dem anderen.
    Man bestahl ihn, andere bestahlen wieder andere, und doch kehrten die Bücher wie sehnsüchtige, standhafte Liebende in die zarten Hände Pedrosos, des von El Greco gemalten Ritters, zurück. Diese Hände waren immer bereit, sich anzuspannen, zu mahnen, gleichsam zu einer Zeremonie des Denkens einzuladen. Laura porträtierte den Lehrer Pedroso in dem Augenblick, in dem er die Hände mit den grazilen Fingern ausstreckte, um von der Welt ein wenig Licht zu erbitten, die Flammen der Intoleranz zu löschen und den Glauben an seine mexikanischen Schüler zu bekräftigen.
    Laura fotografierte eine laute, vergnügte, redefreudige und herzliche Gruppe junger Emigranten, die sich an die mexikanischen Verhältnisse anpaßten, aber Spanien niemals aufgaben, sie behielten ihre lispelnde Aussprache des Kastilischen bei, und ihre Blicken verrieten unfreiwillig ihre Liebe zu allem, was sie ausdrücklich ablehnten: die Schokolade beim Herrn Pfarrer, die Romane von Pérez Galdös, die Kaffeehausgesellschaften, die schwarzgekleideten alten Frauen, die geselligen Runden mit ihrem Klatsch, der so köstlich wie heiße Ölkringel war, Cante jondo und Toros, Glocken und Begräbnisse, dem Wahnsinn verfallene Familien, die sich für immer ins Bett legten, um den Versuchungen des Teufels, der Welt und des Fleisches zu entgehen. Laura fotografierte sie, während sie immer und für immer und ewig diskutierten, wie einander unbekannte Iren, denn sie kamen aus Madrid und Navarra, Galicien und Barcelona und hießen Oteyza, Serra Puig, Munoz de Baena, Garcia Ascot, Xirau, Durân, Segovia und Blanco Aguinaga.
    Die Emigrantin, die Laura Dïaz am besten gefiel, war eine junge Frau, die Danton die interessanteste Frauengestalt im Jockey Club der vierziger Jahre genannt hatte. Sie lebte mit ihrem Mann, dem Lyriker und Cineasten Garcia Ascot, in einem sonderbaren langgestreckten Gebäude an der Galle Villalongin, und ihre Schönheit war so vollkommen, daß Laura in Verzweiflung geriet, weil sie keine schlechte Seite an ihr entdeckte und auch nicht mit einem oder tausend Fotos den Zauber dieser zarten und eleganten

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