Die Jahre mit Laura Diaz
Felsblöcken glichen. Hier und da erschien eine Pappel mit silbernen Blättern. Diese Landschaft nahm Laura den Atem und machte sie durstig.
»Du bist eingeschlafen, Mädchen.«
»Die Landschaft hat mich eingeschüchtert, Juan Francisco.«
»Du hast die Kiefernwälder weiter oben verpaßt.«
»Ach, darum riecht es hier so schön.«
»Glaub ja nicht, hier ist alles kahl und flach. Du weißt, ich bin aus Tabasco, ich sehne mich nach den Tropen, genau wie du, aber ich könnte auch nicht mehr ohne das Hochland leben, ohne die Stadt.«
Als sie ihn nach dem Grund fragte, änderte Juan Francisco den Ton, er hob die Stimme, vielleicht gab er ihr sogar einen etwas schwülstigen Klang, als er über Mexico-Stadt sprach, den wirklichen Mittelpunkt des Landes, sein Herz, die aztekische Stadt, die Kolonialstadt, die moderne Stadt, sozusagen eine über der anderen.
»Wie eine Schichttorte«, lachte Laura.
Juan Francisco lachte nicht. Laura stellte weitere Vergleiche an.
»Wie einer von den Proviantkörben, die man Señorita Aznar, deiner Heldin, hinaufbrachte, Liebster.«
Juan Francisco wurde noch ernster.
»Entschuldige. Ich habe einen Spaß gemacht.«
»Laura, warst du nie neugierig, Armonia Aznar zu sehen?«
»Ich war noch sehr klein.«
»Du warst schon zwanzig.«
»Vielleicht sind meine Eindrücke aus der Kindheit lebendig geblieben, Juan Francisco. Auch wenn du groß wirst, erschrecken dich manchmal die Gespenstergeschichten noch, die man dir erzählt hat, als du klein warst.«
»Das mußt du hinter dir lassen, Laura. Du bist kein Mädchen mehr aus guter Familie. Du bist mit einem Mann zusammen, der einen ernsten Kampf kämpft.«
»Das weiß ich, Juan Francisco. Und ich respektiere es.«
»Ich brauche deine Unterstützung. Deine Vernunft, nicht deine Phantasie.«
»Ich will versuchen, dich nicht zu enttäuschen, mein Liebster. Ich habe großen Respekt vor dir, das weißt du.«
»Frag dich zuerst einmal, warum du dich nie gegen deine Familie aufgelehnt hast und hinaufgegangen bist, um Armoma Aznar zu besuchen.«
»Weil ich Angst davor hatte, Juan Francisco, ich sage dir doch, daß ich noch ein richtiges Mädchen war.«
»Du hast die Gelegenheit verpaßt, eine großartige Frau kennenzulernen.«
»Entschuldige, Liebster.«
»Ich bitte dich um Entschuldigung.« Juan Francisco umarmte sie und küßte ihre Hand, die sie nervös zur Faust geballt hatte. »Ich werde dich schon in die Wirklichkeit bringen. Du hast zu lange von Kinderträumen gelebt.«
Orlando war kein Traum, hätte sie ihm gern gesagt, doch sie wußte, daß sie es nie wagen würde, den faszinierenden blonden Jungen zu erwähnen, Orlando, der ein Verführer war, er hat mich in die Dachkammer eingeladen, darum bin ich nie hingegangen, außerdem wollte Señorita Aznar, daß man sie respektierte, das hat sie verlangt, genau das.
»Sie selbst hat angeordnet, daß man sie nicht stören sollte. Wie hätte ich ihr ungehorsam sein dürfen?«
»Mit anderen Worten, du hattest nicht den Mut dazu.«
»Es gibt vieles, wozu ich nicht den Mut habe.« Laura lächelte mit einem Gesicht, das vorgetäuschte Reue zeigte. »Nur mit dir habe ich wirklich Mut. Du hilfst mir, nicht wahr?«
Auch er lächelte und küßte sie mit der Leidenschaft, die er ihr seit der Hochzeitsnacht widmete, die sie im Zug, im Interoceânico, verbracht hatten. Er war ein großer, kräftiger, liebevoller Mann, ohne das Mysterium, das ihre letzte Liebe umgeben hatte, Orlando Ximénez, doch ihm fehlte auch die boshafte Aura des blondgelockten jungen Mannes vom Ball in San Cayetano. Im Vergleich mit Orlando war Juan Francisco die leibhaftige Offenherzigkeit, dabei in seiner sinnlichen Begierde ein freimütiger, beinahe primitiver Mensch. Laura liebte ihn auch deshalb immer inniger, als bestätigte ihr Mann den ersten Eindruck, den die junge Frau im Casino von Xalapa bei ihrem Kennenlernen gewonnen hatte. Juan Francisco war als Liebhaber ebenso großartig wie als Redner, Politiker und Arbeiterführer.
(Ich kenne nichts anderes, ich kenne nichts weiter, ich kann nicht vergleichen, aber ich kann genießen, und ich genieße es wirklich, ich genieße diesen kräftigen Kerl, diesen richtigen Mann, der nichts Subtiles hat, keine Aura wie Orlando, mein Juan Francisco…)
»Gewöhn dir bitte ab, mich in der Öffentlichkeit ›mein Liebsten zu nennen.«
»Ja, mein Liebster. Entschuldige. Warum?«
»Wir sind unter Genossen. Wir stehen im Kampf. Da ist so etwas nicht gut.«
»Gibt es keine Liebe
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