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Die Jahre mit Laura Diaz

Die Jahre mit Laura Diaz

Titel: Die Jahre mit Laura Diaz Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Carlos Fuentes
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ging zum Fenster, um in den Juliregen hinauszusehen.
    Wie konnte sie Juan Francisco das Recht absprechen, dem zweiten Kind ihrer Ehe den Namen »Danton« zu geben? Es wurde elf Monate nach dem ersten geboren, als General Alvaro Obregõn zwei Jahre Präsident war und das Land allmählich zum Frieden zurückfand. Laura gefiel dieser brillante oder doch zumindest geschickte Präsident, der auf alles eine Antwort fand, der in der Lage war, über sich selbst zu lachen, und der in der Schlacht von Celaya einen Arm verloren hatte, damals, als Pancho Villa und seine »goldenen« Elitetruppen, die Dorados, vernichtet wurden.
    »Das Schlachtfeld sah aus wie eine Fleischerei. Wie konnte ich unter so vielen Leichen den Arm wiederfinden, den sie mir abgerissen hatten? Meine Herren, da hatte ich einen glänzenden Einfall. Ich warf eine Goldmünze in die Luft, und mein Arm flog in die Höhe, um sie zu erwischen. Kein Révolutions général vermag einer Kanonade von fünfzigtausend Pesos zu widerstehen!«
    »Er hat vielleicht nur eine Hand, aber die ist ziemlich hart«, hörte sie von einem der Arbeiterführer, die in ihrer Wohnung mit Juan Francisco zusammenkamen, um über Politik zu diskutieren.
    Ihr war es lieber, sich in dieser Stadt umzusehen, die sie noch nicht kannte, ruhige Gegenden zu entdecken, weit weg von den lauten Bussen, die Aufschriften mit ihren Fahrtzielen trugen – Roma Mérida Chapultepec und Umgebung, Pensil Buenos Aires, Strafanstalt Salto del Agua, Coyoac ă n, Calzada de la Piedad, Nino Perdido – , von den gelben Straßenbahnen, die noch weiter hinausfuhren – Churubusco, Xochimilco, Milpa Alta – , den Mietautos, vor allem den »freien« Taxis, die mit ihren an die Windschutzscheibe geklebten Schildern ihre »Freiheit« verkündeten, und den »Fotingos«, den »kleinen Fords«, die den Paseo de la Reforma mit einer Rennbahn verwechselten.
    Laura, die Liebhaberin der Parks: So nannte sie sich selbst mit einem Lächeln. Zuerst schob sie den Wagen mit einem Kind und dann mit zweien vom Haus in der Avenida Sonora zum Bosque de Chapultepec, wo es nach Eukalyptus, Kiefern, Heu und grünem See roch.
    Als Danton geboren wurde, bot sich Maria de la O an, Laura zu helfen, und Juan Francisco hatte nichts gegen die mulattische Tante einzuwenden, die immer korpulenter wurde, deren Knöchel den gleichen Umfang wie die Arme hatten und deren fette Beine schwankten. Das zweistöckige Haus hatte eine Ziegelfassade, die im Erdgeschoß Mäanderlinien bildete und im Obergeschoß eine hellgelbe Stuckschicht trug. Man trat durch eine Garage ein, die Juan Francisco am Tag nach der Geburt des zweiten Sohns mit einem Ford-Kabriolett einweihte, das ihm der Mexikanische Regionale Arbeiterbund, die CROM, geschenkt hatte, der stärkste Gewerkschaftsverband unter dem neuen Regime. Der Vorsitzende der Dachorganisation, Luis Napoleon Morones, sagte, als er Juan Francisco das Auto übergab, damit erkenne er dessen gewerkschaftliche Verdienste während der Revolution an.
    »Ohne die Arbeiterklasse«, bekräftigte Morones, ein überaus feister, ja massiger Mann mit dicken Lippen, dicker Nase, dickem Hals, dicken Doppelkinnwülsten und Augenlidern wie Vorhängen aus Fleisch, »ohne das Haus des Weltarbeiters und die Roten Bataillone hätten wir nicht gesiegt. Die Arbeiter haben die Revolution gemacht. Die Bauern, Villa und Zapata, waren nichts als ein notwendiger Ballast, der reaktionäre und klerikale Ballast der finsteren kolonialen Vergangenheit Mexikos.«
    »Er hat dir gesagt, was du hören wolltest«, erklärte Laura, ohne daß sie es als eine Frage meinte. Juan Francisco aber faßte ihre Worte so auf.
    »Er hat lediglich die Wahrheit gesagt. Die Arbeiterklasse ist die Vorhut der Revolution.«
    Da stand der Ford Modell T, weniger beeindruckend als der prachtvolle Isotta-Fraschini, den Xavier Icaza nach Xalapa gebracht hatte, aber sehr bequem für eine fünfköpfige Familie bei Ausfahrten zur Pyramide von Tenayuca oder zu den schwimmenden Gärten von Xochimilco. Hinten in der Garage nahmen die Boiler einen Ehrenplatz ein, in denen man heißes Wasser bereitete und die mit Holzstößen und Zeitungspapier beheizt wurden. Durch die Garage kam man in den kleinen Empfangsraum mit Mosaikfußboden und dann ins Wohnzimmer, das zur Straße hin lag. Es war einfach und gemütlich eingerichtet, Laura hatte ein Konto im Palacio de Hierro eröffnet, und Juan Francisco ließ ihr freie Hand, eine Sofagarnitur mit blauen Velourssesseln und Lampen zu

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