Die Jahre mit Laura Diaz
unter deinen Genossen?«
»Es paßt nicht, Laura. Genug damit.«
»Entschuldige. Mit dir an meiner Seite ist für mich alles Liebe. Sogar die Gewerkschaftsbewegung.« Sie lachte, wie sie es immer tat, und streichelte das lange, behaarte Ohr ihres machos, es rutschte ihr heraus, ihn so zu nennen, du bist mein macho und ich deine kleine Frau, mein Liebster ist mein macho, aber ich darf ihn nicht »mein Liebster« nennen.
»Du sagst immer ›Mädchen‹ zu mir, nie ›Liebste‹, und das respektiere ich, ich weiß, daß es dir ganz von selbst über die Lippen kommt, wie ich zu dir sage…«
»Liebste…«
Er küßte sie, doch in ihr bohrte das bittere Gefühl einer Schuld, als hätten sich die beiden insgeheim etwas nicht Wiedergutzumachendes, Grundsätzliches gesagt, etwas, woran sie sich eines Tages mit großer Freude oder Reue erinnern mochten. Was jedoch alles von der Gewißheit in den Hintergrund gedrängt wurde, daß sie sich gegenseitig noch nicht richtig kannten. Alles war eine Überraschung. Für beide. Jeder hoffte, daß sich der eine dem anderen ganz allmählich öffnen würde. War es ein Trost, so etwas zu denken? Der direkte Grund für ihr bitteres Gefühl, wie sie in diesem Augenblick begriff, war der Vorwurf ihres Mannes, sie hätte nicht den Mut aufgebracht, die kleine Treppe hochzusteigen und an die Tür Armoma Aznars zu klopfen. Juan Franciscos Geschichte hatte ihre Rechtfertigung widerlegt und sie zu einem Vorwand herabgewürdigt. Zwar hatte Señorita Aznar selbst verlangt, daß man sie allein ließ und respektierte. Laura konnte sich auf diese Entschuldigung berufen, die Entschuldigung verbarg jedoch ein Geheimnis: Orlando war das Geheimnis, und darüber durfte sie nicht reden. Laura bewahrte das Schuldgefühl, ein vages, nicht näher zu bestimmendes Schuldgefühl, sie konnte sich nicht dagegen schützen, das erkannte sie plötzlich. Es war eine Barriere zwischen ihnen beiden, eine Distanz, sie wußte nicht, wie sie es bezeichnen sollte, aber es hinderte sie, sich mit ihrem Mann zu identifizieren und seinen Kampf solidarisch zu unterstützen; am Ende schob sie alles auf ihre Unerfahrenheit.
»Sag in der Öffentlichkeit nicht ›Liebster‹ zu mir.«
»Mach dir keine Sorgen… mein Liebster.« Die junge Ehefrau lachte laut und warf ihrem verschlafenen, nackten, dunkelhäutigen, kräftigen Mann ein Kissen an den Kopf mit dem wirren Borstenhaar. Da lächelte er und entblößte sein Gebiß, das stark und breit wie das der Gestalten auf einem indianischen Fries war, wie ein Maiskolben, korrigierte sich Laura, um ihren Mann nicht zu vergöttern: »He, du hast Zähne wie ein Maiskolben.« Juan Francisco war das Neue in ihrem Leben, der Anfang einer anderen Geschichte, fern von ihrer Familie, von Veracruz und der Erinnerung.
»Du darfst ihn nicht nur nehmen, weil er anders ist«, hatte Tante Maria de la O gewarnt.
»Wer unterscheidet sich mehr von den anderen als du, Tantchen, und wen habe ich lieber als dich?«
Nichte und Tante umarmten und küßten sich, und nun, beim Liebesspiel mit Juan Francisco, als sie seinem Gesicht so nahe war, spürte sie die verlockende Dunkelheit, das unwiderstehliche Anderssein. Liebe war, als stopfte man sich den Bauch mit braunem Zucker voll oder berauschte sich an jenem Zimtduft, der den Menschen in den Tropen angeboren ist, als hätte man sie alle in einem verwilderten Garten gezeugt, inmitten von Mangos, Papayas und Vanille. Daran dachte sie, wenn sie im Bett bei ihrem Mann lag, an Mangos, Papayas und Vanille, ohne daß sie es verhindern konnte, immer wieder, wobei sie begriff, daß sie das von den Dingen ablenkte, die sie gerade taten, doch dafür gab sie sich ihm auch länger hin. Allerdings fürchtete sie, daß Juan Francisco ihre Zerstreutheit bemerkte, sie für Gleichgültigkeit hielt und dahinter einen für ihn nachteiligen Vergleich vermutete, wenn er auch festgestellt hatte, daß Laura Jungfrau und er ihr erster Mann war. Hegte sie etwa den Verdacht, daß es ihm nicht um das Erste-mit-ihr-im-Bett-Sein ging, sondern daß ihn die Frage beunruhigte, ob er nur ein weiterer, einer mehr, der zweite, dritte, wer weiß, vielleicht der vierte in den aufeinanderfolgenden Herzensbindungen dieser Frau war?
»Du erzählst mir nie von deinen Freunden.« »Du erzählst mir nie von deinen Freundinnen.« Der Blick, die Geste, das Achselzucken Juan Franciscos bedeuteten: »Wir Männer sind anders.« Warum sagte er es nicht frei und offen?
»Wir Männer sind
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