Die Jahre mit Laura Diaz
Absolution erteilt. Ich habe bereut und wurde wieder in den Schoß meiner Kirche aufgenommen. Aber ich spürte, daß all das viel zu leichtfiel. Ich mußte büßen für das, was ich angerichtet hatte, für meine Versuchung. Meinen Betrug. Für das Böse. Unser Herrgott hat mir den Gefallen getan, mir diese Strafe zu schicken, die religiöse Verfolgung, die Galles angeordnet hat.«
Er blickte Laura mit seinen schicksalsergebenen Indioaugen an.
»Ich fühle mich schuldiger als je zuvor. Ich habe Alpträume. Ich bin sicher, daß Gott mich für mein Sakrileg bestraft, indem er seine Kirche mit dieser Verfolgung heimsucht. Ich glaube, ich bin durch meine Tat für das allgemeine Übel verantwortlich. Das glaube ich im tiefsten Herzen.«
»Pater, mir müssen Sie nichts beichten.«
»O doch, ich muß.« Elzevir drückte Lauras Hände, die er keinen Augenblick losgelassen hatte. »Das muß ich wirklich. Du warst ein kleines Mädchen. Wen kann ich eher als ein Mädchen für den Aufruhr der Seele um Verzeihung bitten? Vergibst du mir?«
»Ja, Pater, ich habe Sie nie beschuldigt, aber meine Mutter…«
»Deine Mutter und deine Tanten haben verstanden. Sie haben mir verziehen. Darum bin ich hier. Wenn es sie nicht gäbe, hätte man mich schon längst erschossen.«
»Mir haben Sie nichts Böses angetan, das kann ich Ihnen sagen. Entschuldigen Sie, aber ich hatte Sie ganz vergessen.«
»Das war das Böse, siehst du? Das Vergessen ist das Böse. Ich habe meine Gemeinde in Aufruhr versetzt, und wenn meine Gemeinde das vergißt, dann deshalb, weil der Aufruhr so tief eingedrungen ist, daß er sogar vergessen und vergeben wurde…«
»Meine Mutter hat Ihnen verziehen«, unterbrach Laura, die die Erklärungen des Pfarrers einigermaßen verwirrten.
»Nein, sie behält mich hier, gibt mir ein Dach über dem Kopf und zu essen, damit ich das Mitleid kennenlerne, das ich selbst mit meiner Herde nicht hatte. Deine Mutter ist ein lebender Vorwurf, für den ich dankbar bin. Ich möchte nicht, daß mir jemand verzeiht.«
»Pater, meine Kinder haben noch nicht die erste Kommunion empfangen. Sehen Sie, mein Mann würde… in Aufruhr geraten, wenn ich ihn darum bäte. Möchten Sie nicht…?«
»Warum bittest du mich wirklich darum?«
»Pater, ich möchte etwas Außergewöhnlichem angehören, Gewohnheit ist der Tod für mich.« Laura ging mit einem Seufzer, der halb eine Zornesäußerung und halb ein Wehklagen war.
Als sie die Zeremonie vollzogen, die ihr in ihrem Leben als Ehefrau noch fehlte, fühlte sie eine tiefe Genugtuung, wobei sie genau wußte, daß sie gegen den unausgesprochenen Willen ihres Mannes handelte. Juan Francisco ging nicht zur Messe und sprach nicht über Religion. Laura und die Kinder auch nicht. Nur Maria de la O bewahrte ein paar alte Heiligenbilder auf, die sie sich an den Spiegel gesteckt hatte. Juan Francisco sagte nichts dazu, doch er hielt die Bilder für die Reliquien einer alten Betschwester.
»Ich habe nichts dagegen, aber ich möchte wissen, warum?« fragte Leticia.
»Ohne Zeremonien, die die Zeit bestimmen, verflacht die Welt zu sehr.«
»Hast du solche Angst, daß du dein Leben vergeudest?«
»Ja, Mutti. Ich fürchte mich vor einer Zeit ohne Stunden. Das muß der Tod sein.«
Leticia, ihre drei Schwestern und Laura traten zusammen mit den Kindern Santiago und Danton ins Zimmer des Pfarrers.
»Das ist mein Leib, das ist mein Blut«, intonierte Elzevir und nahm zwei Brotstücke, die er Santiago und Danton in den Mund steckte. Die Kinder fanden es lustig, daß man sie in ein dunkles Zimmer brachte, ihnen Weißbrotstückchen zu essen gab und sie lateinische Worte hören ließ. Doch lieber rannten sie durch die Gärten von Xalapa, Los Berros und den Parque Juârez, wie immer von der braunhäutigen Tante beaufsichtigt, von der ruhigen Stadt fasziniert, die sie als einen gefahrlosen Raum, einen eigenen Bereich in Besitz nahmen, der ihnen die in der Hauptstadt verbotene Freiheit gab, denn dort waren die Straßen mit Autos überfüllt, und in der öffentlichen Schule wimmelte es von Provokateuren und Raufbolden, vor denen Santiago seinen kleinen Bruder schützen mußte.
»Warum siehst du dir so oft das Dach von dem Haus da drüben an, Mama?«
»Ach, nichts weiter, Santiago. Da habe ich als junges Mädchen mit deinen Großeltern gewohnt.«
»Zu Hause hätte ich gern so einen Wachtturm wie den da. Ich wäre der Burgherr und würde dich vor allen Bösewichtern schützen, Mama.«
»Santiago, bevor ich
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