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Die Jahre mit Laura Diaz

Die Jahre mit Laura Diaz

Titel: Die Jahre mit Laura Diaz Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Carlos Fuentes
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sich durch sich selbst und bringt Rechte mit sich, Genossen«, faßte Juan Francisco zusammen. »Obregõn hat die Unterstützung derer, die die Revolution gemacht haben. Mittlerweile unterstützen ihn sogar die Leute Zapatas und Villas. Er hat alle für sich gewinnen können. Wollen wir die Ausnahme sein?«
    »Genau das ist es, Juan Francisco. Die Arbeiter haben sich überhaupt nur organisiert, um die Ausnahme zu sein. Verdammich, nimm uns nicht die Freude, der Sand im Getriebe der Regierung zu sein, zum Teufel…«
    Als junge Ehefrau schon hatte Laura ständig diese Diskussion gehört: Es war, als ginge man jeden Sonntag in die Kirche und hörte die gleiche Predigt. Die Gewohnheit, dachte Laura einmal, muß einen Sinn haben, muß zum Ritus werden. Sie vergegenwärtigte sich die rituellen Momente in ihrem eigenen Leben: Geburt, Kindheit, Pubertät, Ehe und Tod. Sie war dreißig und hatte das alles schon kennengelernt. Persönlich kennengelernt, in ihrer Familie.
    An einem Julitag kam eine kollektive Erfahrung hinzu, als könnte sich das ganze Land nicht von seiner Braut, dem Tod, trennen. Juan Francisco kam unerwartet um sechs nach Hause und erklärte fassungslos: »Sie haben den gewählten Präsidenten Obregõn bei einem Bankett ermordet.«
    »Wer?«
    »Ein Katholik.«
    »Haben sie ihn umgebracht?«
    »Obregõn? Das habe ich doch gerade gesagt.«
    »Nein, den Mörder.«
    »Der ist verhaftet. Er heißt Toral. Ein Fanatiker.«
    Kein Zwischenfall ihres bisherigen Lebens hatte Laura so sehr erschreckt wie jenes Geräusch, als es eines Abends vorsichtig an der Haustür klopfte. Maria de la O hatte die Kinder in den Park mitgenommen, Juan Francisco kam immer später von der Arbeit heim. An die Stelle der üblichen Diskussionen im Eßzimmer war der Zwang zum Handeln getreten. Obregõn und Galles hatten sich bis zu Obregõns Tod die Macht geteilt, danach blieb nur ein starker Mann übrig: War Galles Obregõns Mörder? War die Geschichte Mexikos eine endlose Kette von Opfern, in der jeder Täter sicher sein konnte, ebenso zu enden, wie er nach oben gekommen war? Über den Tod an die Macht zu kommen und sie ebenso zu verlieren?
    »Du siehst ja, Juan Francisco. Morones und die CROM freuen sich über den Tod Obregõns. Morones wollte sich als Präsidentschaftskandidat aufstellen lassen.«
    »Dieser Fettwanst braucht einen doppelt so großen Stuhl.«
    »Mach keine Witze, Palomo. Das Verbot der Wiederwahl ist das heilige Prinzip.«
    »Halt den Mund, Pânfilo. Gebrauche keine religiösen Ausdrücke, das…«
    »Bleib bei der Sache. Das unantastbare Prinzip der Revolution, wenn dir das lieber ist. Galles hat Morones um die Präsidentschaft gebracht, weil er seinem Kumpel Obregõn in den Sattel helfen wollte. Wem nützt das Verbrechen? Diese naheliegende Frage mußt du dir immer wieder stellen. Wem nützt es?«
    »Galles und Morones. Und wer sind die Sündenböcke? Die Katholiken.«
    »Du warst schon immer ein Kirchenfeind, Palomo. Du wirfst den Bauern ihren katholischen Glauben vor.«
    »Gerade deshalb sage ich dir, daß nichts die Kirche mehr stärkt, als wenn man sie verfolgt. Davor habe ich Angst.«
    »Warum verfolgt Galles sie dann? Der Türke ist kein Blödmann.«
    »Um die Wahrheit zu verheimlichen, José Miguel. Irgendwie muß er ja beweisen, daß er revolutionär ist.«
    »Ich verstehe nichts mehr.«
    »Du mußt eines verstehen: In Mexiko sind selbst die Krüppel Seiltänzer.«
    »Und du darfst etwas anderes nicht vergessen. Politik ist die Kunst, Kröten zu schlucken, ohne das Gesicht zu verziehen.«
    Sie war weiß wie Mondlicht, und darum traten ihre tiefschwarzen, dichten Brauen besonders stark hervor, eine durchgehende Linie in ihrem finsteren Gesicht, die die Augenringe in noch tiefere Schatten tauchte, darin die riesigen Augen, die so schwarz waren, wie die Sünde angeblich ist, Augen, die in einem See böser Vorahnungen schwammen. Die Frau war schwarzgekleidet, mit langem Rock und Schuhen ohne Absätze, bis zum Hals zugeknöpfter Bluse und einem ebenfalls schwarzen Umhängetuch, das ihren Rücken bedeckte, sie hatte es sich eng, aber ungeschickt und nervös umgebunden, und deshalb rutschte es ihr bis zur Taille hinab – was sie erröten ließ, als gäbe es ihr das Aussehen einer halbnackten Revuetänzerin, und schnell legte sie es sich wieder über die Schultern, niemals über den Kopf mit der streng von einem Mittelscheitel geteilten Mähne, die hinten zu einem Knoten zusammengebunden war, doch am Nacken flatterten

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