Die Jahre mit Laura Diaz
beruhigten sich sofort wieder. Die Stimmen dämpften sich zu einem erstaunten, lästernden und auch bewundernden Murmeln, dem sich unmöglich entnehmen ließ, was man von der Kunst Tizocs oder Andreas' Kühnheit hielt. Der Minister verabschiedete sich mit unerschütterlichem Gesicht und einem leisen, Carmen zugeflüsterten Kommentar: »Sie hatten mir gesagt, daß es ein kulturelles Ereignis wäre.«
»Wie die Maja Goyas, Herr Minister. Eines Tages stelle ich sie Ihnen vor, die Herzogin von Alba, meine große Freundin.«
»Wirklich ein leichtes Mädchen, diese Prinzessin«, erwiderte das Mitglied des Kabinetts Ortiz Rubio trocken.
»Ach, wie gern ich die Glieder sämtlicher Mitglieder sämtlicher Kabinette sehen würde«, sagte der kleine Matrose mit der »Küß-mich«-Mütze.
»Auf Wiedersehen.« Der Herr Minister verbeugte sich, als der Matrose mit der kurzen Hose einen Luftballon mit der Aufschrift Blow Job aufblies und an die Decke warf.
»Hier ist Schluß«, sagte der Mini-Popeye vergnügt. »Wo machen wir weiter?«
»Im Leda«, rief Mary Pickford.
»Las Veladoras«, schlug der Maler mit dem stinkenden Atem vor.
»Los Agachados«, seufzte der weißgekleidete Kritiker.
»Vogelscheuchen«, stimmte seine Schwester an.
»El Rio Rosa«, animierte die Italienerin.
»El Salon Mexico«, urteilte der Engländer de la main gauche.
»Du schönes, heißgeliebtes Mexiko«, gähnte die turmhohe Engländerin.
»Afriquita«, grunzte ein Gesellschaftsredakteur.
»Ich hole uns einen Highball«, sagte Orlando zu Laura.
»Wir haben denselben Vornamen.« Eine bildschöne Frau lächelte Laura an. Sie saß auf einem Sofa und versuchte, die Lampe auf dem Tischchen daneben so zu stellen, daß das Licht für sie vorteilhaft war. Sie lachte.
»Von einem gewissen Alter an ist eine Frau vom richtigen Licht abhängig.«
»Sie sind doch sehr jung«, sagte Laura mit provinzieller Höflichkeit.
»Wir müssen das gleiche Alter haben, ein bißchen über die Dreißig, nicht wahr?«
Laura Dïaz nickte und nahm die wortlose Einladung der Frau mit dem blonden Haar an, die ein Kissen neben sich zurechtrückte und mit der anderen Hand nach ihrem Whiskyglas griff.
»Laura Rivière.«
»Laura Dïaz.«
»Ich weiß, Orlando hat es mir gesagt.«
»Sie kennen sich?«
»Ein interessanter Mann. Obwohl er seine Haare eingebüßt hat. Ich habe ihm gesagt, er soll sich den Rest auch noch abschneiden. Dann wäre er nicht nur interessant, sondern gefährlich.«
»Darf ich Ihnen etwas gestehen? Mir hat er immer angst gemacht.«
»Sag bitte du zu mir. Mir auch. Und weißt du, warum? Laß es mich erzählen. Mit ihm hat es nie ein erstes Mal gegeben.«
»Nein.«
»Ich habe dich nicht gefragt, meine Freundin. Ich erkläre es dir. Mit ihm habe ich mich nie getraut.«
»Ich auch nicht.«
»Dann trau dich jetzt. Nie habe ich einen Blick gesehen wie den, den er dir zuwirft. Außerdem schwöre ich dir, daß es gefährlicher ist, Türen zu verschließen, als sie aufzusperren.« Laura Rivière strich sich über den Hals, an dem Edelsteinschmuck glänzte. »Weißt du was? Seit ich mich von meinem Mann getrennt habe, führe ich einen Antiquitätenladen. Komm doch mal bei mir vorbei.«
»Ich lebe mit Elizabeth zusammen.«
»Doch sicher nicht für immer, oder? «
»Nein.«
»Was hast du vor?«
»Ich weiß es nicht. Das ist mein Problem.«
»Ich rate dir, eine unmögliche Situation nicht in die Länge zu ziehen, meine liebe Namensvetterin. Gestalte die Dinge nach deinem Geschmack, und das rechtzeitig. Traue dich. Paß auf, da kommt deine Freundin Elizabeth.«
Laura Dïaz sah sich um. Es war niemand mehr da, sogar Carmen Cortina hatte sich mit ihrem Hofstaat in andere Gegenden verzogen. Wohin? Um Mariachis im Tenampa zu hören? Um im La Bandida eine Hurenshow zu engagieren? Um in Stehkneipen Rum aus Lampenglocken zu trinken? Um zur Musik der Kapelle von Luis Arcaraz im neuen Hotel Reforma zu tanzen? Um Juan Arvizu, den Tenor mit der seidenen Stimme, im alten Hotel Régis zu hören?
Laura Rivière strich sich das Haar so zurecht, daß es ihr halbes Gesicht bedeckte, und Elizabeth Garcia-Dupont, die ehemalige Caraza, sagte zu Laura Dïaz, der ehemaligen Lopez Greene: »Es tut mir wirklich leid, meine liebe Kleine, aber heute nacht habe ich zu Hause etwas vor, du verstehst mich, man muß die Feste feiern, wie sie fallen, haha, einmal ist keinmal, aber ich habe an dich gedacht, ich habe für dich ein Zimmer im Régis reserviert, hier ist der
Weitere Kostenlose Bücher