Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Die Jahre mit Laura Diaz

Die Jahre mit Laura Diaz

Titel: Die Jahre mit Laura Diaz Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Carlos Fuentes
Vom Netzwerk:
war; sie wollte ihrer Familie nicht sagen, ich habe mich geirrt, mein Mann ist korrupt, mittelmäßig, ein Ehrgeizling, der seines eigenen Ehrgeizes unwürdig ist, dein Vater, Santiago, kann nur leben, wenn man seine Verdienste anerkennt, deinen Vater, Danton, richtet die Überzeugung zugrunde, daß ihm die Menschen nicht den gebührenden Platz einräumen, mein Mann, Elizabeth, ist unfähig anzuerkennen, daß er seine Verdienste längst eingebüßt hat: Seine Medaillen sind bloß aus Kupfer, das hat sich längst herausgestellt.
    »Dein Vater hat nichts weiter getan, als eine verfolgte Frau anzuzeigen.«
    Wie sollte sie das Santiago und Danton sagen, wenn der eine bald acht und der andere sieben würde? Wie sollte sie sich Mutti und den Tanten gegenüber rechtfertigen? Wie sollte sie erklären, daß sich das in etlichen Kampf jähren gewonnene Ansehen in einem Augenblick verflüchtigt hatte? Nur weil eine einzige Tat unrecht gewesen war? Juan Francisco sollte denken, daß sie allein ihn richtete und verurteilte, sagte sich Laura in ihrer selbstgewählten Einsamkeit. Wenn er nur weiter glaubte, daß sie allein ihn richtete: niemand sonst, nicht die Welt oder seine Söhne, auch nicht ein paar alte Frauen, die sich in einer Pension in Xalapa verkrochen hatten und für ihn bedeutungslos waren. Der Stolz ihres Mannes sollte unangetastet bleiben, der Kummer der Frau allein ihr Kummer sein.
    Das alles konnte sie der hartnäckigen Elizabeth nicht sagen, ebensowenig wie ihrer Veracruzaner Familie, mit der sie weiter in Briefwechsel stand, als wäre nichts geschehen. Die Briefe kamen in der Avenida Sonora an. Juan Franciscos neues Dienstmädchen übergab sie ihr einmal in der Woche. Laura ging mittags zu ihrem alten Haus, wenn er nicht da war. Laura fühlte sich sicher: Wenn Maria de la O etwas ahnte, würde sie schweigen. Diskretion war dem Tantchen angeboren.
    Die Einladung, an der Enthüllung des Bildes Andrea Negretes teilzunehmen, ließ sich einfach nicht ablehnen, tags zuvor hatte Elizabeth mit ihrem Gast über Ausgaben gesprochen.
    »Mach dir keine Sorgen, Laura. Den Hut und die Kleider bezahlst du mir, sobald du kannst.«
    »Juan Franciscos Monatsscheck hat sich verspätet.«
    »Der würde nicht reichen!« Die rosenhäutige Blondine lachte liebevoll. »Du bist ausgestattet wie Marlene.«
    »Mir gefallen hübsche Sachen. Vielleicht, weil ich jetzt keine andere Kompensation für so vieles habe, was… mir fehlt, würde ich sagen.«
    »Es wird sich schon alles finden. Quäle dich nicht.«
    Eigentlich gab sie nicht allzuviel aus. Sie las, ging in Konzerte und Museen, zusammen mit Elizabeth ins Kino und zum Essen. Die Umstände, die sie von ihrem Mann getrennt hatten, glichen einem Duell. Ein Verrat, ein Tod – eine Tote – hatte sich zwischen sie gedrängt. Aber das Chanel-Parfüm, das Schiaparelli-Hütchen, das Balenciaga-Kostüm, die Mode hatte sich in kürzester Zeit grundlegend geändert. Wie hätte sich Laura im kurzen Rock eines Charleston tanzenden Flappers und mit einem Haarschnitt à la Clara Bow zeigen können, wenn man sich wie die neuen Hollywood-Stars kleiden mußte. Die Röcke wurden länger, das Haar bekam Wellen, man schmückte die Büsten mit großen Pikee-Aufschlägen, manche Frauen wagten es, seidene, enganliegende Abendkleider wie die platinblonde Jean Harlow zu tragen, und ein modischer Hut war sowieso unentbehrlich. Eine Frau nahm nur den Hut ab, wenn sie schlafen oder Tennis spielen wollte. Sogar im Schwimmbad war eine kleine Gummikappe obligatorisch, man mußte die Dauerwelle schützen.
    »Na los, Kopf hoch!«
    Bevor Laura Dïaz die Gastgeberin Carmen Cortina begrüßen, das von Pani ausgestattete Penthouse mit den strengen Bauhauslinien würdigen und die im Mittelpunkt der Feier stehende Andrea Negrete bewundern konnte, hielten ihr zwei Hände die Augen zu, ihr wurde ein kokettes »Guess who?« ins Ohr geflüstert, und vor Lauras halboffenen Augen erschien der schwere Goldring mit dem Monogramm OX.
    Einen kurzen Augenblick lang wollte sie ihn nicht sehen. Hinter diesen Händen verbarg sich jener junge Mann, den sie auch im Speisesaal der Hazienda San Cayetano bei ihrem Kennenlernen nicht hatte anblicken wollen. Sie roch den englischen Lavendel, hörte die zum Diskant erhobene Baritonstimme, wie das offenbar bei Engländern üblich war; sie stellte sich das gedämpfte Tropenlicht auf der Terrasse vor, erriet das scharfgeschnittene Profil, die gerade Nase, die blondgelockte Haarmähne.
    Sie schlug

Weitere Kostenlose Bücher