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Die Jahre mit Laura Diaz

Die Jahre mit Laura Diaz

Titel: Die Jahre mit Laura Diaz Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Carlos Fuentes
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die Augen ganz auf und sah die hinter die Unterlippe leicht zurücktretende Oberlippe, die hervorstehende Kinnlade, die sie nach wie vor an die habsburgischen Kaiser erinnerte. Aber die Locken waren verschwunden, statt dessen erblickte sie eine markante Glatze und darunter ein Erwachsenengesicht, doch auch jene unverkennbar gelbliche Haut wie die der chinesischen Hafenarbeiter in Veracruz.
    Orlando sah die traurige Bestürzung in Lauras Blick und sagte: »Orlando Ximénez. Du kennst mich nicht, aber ich dich. Santiago hat sehr zärtlich von dir gesprochen. Ich glaube, du warst – wie habe ich dich doch gleich genannt?«
    »Seine Lieblingsjungfrau.«
    »Bist du's nicht mehr?«
    »Zwei Söhne.«
    »Einen Mann?«
    »Den gibt es nicht mehr.«
    »Gestorben?«
    »So gut wie.«
    »Und du und ich, wir leben immer noch. Uff. Was es alles gibt.«
    Orlando sah sich um, als suchte er die Terrasse in San Cayetano, den Winkel, in dem sie allein sein und ihr Zwiegespräch führen könnten. Das bittersüße Gefühl der verpaßten Chance überflutete Lauras Herz. Aber Carmen Cortina gestattete auf ihren Festen keine frivole Intimität oder verschämte Einsamkeit; als ahnte sie, daß sich hier eine private, das heißt die anderen ausschließende Beziehung anbahnte, unterbrach sie die Zweisamkeit der beiden und stellte den einen Gast und den nächsten vor, den Dickarsch del Rosal, einen alten Aristokraten, der ein Monokel trug und sich den Scherz erlaubte, das Glas aus dem Auge zu nehmen und – sehen Sie nur – es wie eine Hostie zu verschlingen; es war kein richtiges Glas, sondern Gelatine. Ihm folgte Onomastico Galan, ein dicker, rotwangiger Spanier, der auf den Festen üblicherweise im Nachthemd und mit gestreifter Schlafmütze erschien, von der eine rote Troddel herabhing, in der Hand hielt er eine Kerze, für den Fall, daß es in diesem desorganisierten und revolutionären Land eine Stromsperre gab – Mexiko brauchte eine gute und sanfte Diktatur wie die Primo de Riveras in Spanien. Danach kam ein Paar, er ein Matrose in kurzer Hose und mit blauer Mütze, auf der »Küß mich« stand, sie trat als Mary Pickford auf, trug eine Perücke mit üppigen blonden Locken, weiße Söckchen, Lackschuhe, rüschenbesetzte Höschen und einen weiten rosa Rock, ganz abgesehen von dem berühmten Riesendutt auf dem Lockenhaupt; den beiden schloß sich ein Kunstkritiker in tadellos weißem Anzug an, der ständig den abfälligen Satz im Munde führte: »Alle sind Voooogelscheuchen!«
    Er hielt seine Schwester an der Hand, eine schöne, große braune Zuckerstatue, die als geschwisterliches Echo wiederholte: »Vogelscheuchen, wir alle sind Vogelscheuchen«, während ein alter Maler mit unsichtbarem, dafür aber heftigem und alles zerfressendem üblen Mundgeruch erklärte, er sei der Lehrer des angehenden Malers Tizoc, doch dieser Anspruch wurde ihm von einem anderen Maler mit melancholischem, enttäuschtem Gesicht streitig gemacht, der für seine schwarzweißen Begräbnisbilder und wegen seines ganz und gar schwarzen Geliebten und Schülers berühmt war, den der Maler, die Stadt und die Welt »Xangö« nannten; obwohl der stämmige Neger, um einen Strohmann vorzuschieben – das sei nur eine Redensart, erklärte Carmen Cortina –, eine italienische Gattin hatte, die er als Modell der Mona Lisa vorstellte.
    Der ganze Zirkus wurde von weitem und mit kühlem Mißfallen von zwei Engländern studiert, Carmen stellte die Frau als Felicity Smith vor, sie war sehr groß und konnte die Vorgänge in ihrer Umgebung nur wahrnehmen, wenn sie mit geringschätziger Miene nach unten blickte, doch höflich, wie sie war, starrte sie lieber in die Ferne, denn ihr bärtiger und eleganter Gefährte war kleingewachsen, er wurde von Carmen als James Saxon eingeführt, und leise nannte sie ihn den illegitimen Sohn Georgs V. von England, der sich in die tropische Huasteca-Region des Staates San Luis Potosi zurückgezogen habe, auf eine Hazienda, die, kommentierte seine Gefährtin Felicity, der erwähnte Bastard zu neuen Folies mache, wie sie William Beckfords, des Königs der literarischen Exzentriker, würdig gewesen wären: »Bei James zu leben bedeutet, daß man sich ständig zwischen Orchideen, Kakadus und Bambusvorhängen durchdrängen muß.«
    »Das Problem ist«, teilte Carmen flüsternd Orlando und Laura mit, »daß hier alle ineinander verliebt sind, Felicity in James, der schwul ist und es auf den Kritiker abgesehen hat, der von ›Vogelscheuchen‹ spricht und

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