Die Jahre mit Laura Diaz
verrückt nach dem Schwarzen Xangö ist, der wiederum ein falscher Schwuler ist und dem melancholischen Maler aus Statusgründen gefällt, wirklichen Genuß aber nur bei seiner Neapolitanerin findet, obwohl die, die angebliche Mona Lisa, sich vorgenommen hat, den melancholischen Maler zur Heterosexualität zu bekehren, um eine ménage à trois zu bilden, die nicht nur vergnüglich, sondern in diesen Krisenzeiten auch wirtschaftlich vorteilhaft wäre, da niemand, absolut niemand, ein Staffeleibild kauft und die Regierung allein die Fratzenkleckser mit Aufträgen versorgt, quelle horreur!, nur daß Mary Pickford in die Italienerin verliebt ist und die Italienerin heimlich mit dem Matrosen schläft, der auch von der anderen Fakultät ist, aber die Italienerin will ihm beweisen, daß er in Wahrheit ein ganzer Mann ist, und das stimmt, nur daß unser Popeye weiß, wenn man ihn für einen Schwulen hält, weckt er den Mutterinstinkt der Damen, die ihn schützen möchten, und dann kann er sie ausnutzen, indem er sie überlistet, wobei die Mona Lisa, weil sie weiß, daß ihr Mann eigentlich Lothar und nicht Mandrake, der Zauberer ist, sich in der Rolle Nardas sehen möchte – könnt ihr mir folgen, meine Schätzchen, lest ihr nicht die Bildergeschichten in der Sonntagsausgabe von El Universal? –, zusammen mit Xangö will sie, die Mona Lisa, versuchen, den melancholischen Maler zur Normalität zu bekehren, um, wie ich schon gesagt habe, ein Trio zu bilden, das dann wiederum von der Gefahr bedroht wäre, so wie die Dinge liegen, sich in ein Quartett oder sogar ein Quintett zu verwandeln, wenn wir Mary Pickford einbeziehen – welch ein Durcheinander und Problem für eine Hostess, die schließlich aus einer anständigen Familie stammt, wie ich!«
»Carmen«, erklärte Orlando resigniert. »Laß einfach alle in Frieden. Hätte sich Dostojewski psychoanalytisch untersuchen lassen, hätte er womöglich nicht den ›Idioten‹ geschrieben.«
»Señor Orlando«, murrte Carmen würdevoll, »ich lade nur Leute von hoher Intelligenz ein, nicht irgendeinen Idioten. Das hätte gerade noch gefehlt!«
Durch die lange Rede war Carmen Cortina außer Atem geraten, und ihr blieb nur noch Zeit, Pimpinela de Ovando vorzustellen, eine verarmte Aristokratin, und Gloria Iturbe, die in dem Verdacht stehe, eine Spionin des deutschen Kanzlers Franz von Papen zu sein, was man nicht laut sage!, aber alles sei ja schon so international, daß keiner überhaupt noch von der Schuld spreche, die La Malinche auf sich geladen hätte!
Carmen Cortinas Wortkaskaden vervielfältigten sich durch weitere Kaskaden, die aus den Mündern ihrer Gäste sprudelten, den leichenblassen Schwarzweißmaler ausgenommen (»Ich habe in meinen Bildern alles Überflüssige ausgemerzt«), der Orlando zu dem berühmten Satz veranlaßt hatte: »Manche Mexikaner sehen nur im Sarg gut aus.« Eine Sekunde, nachdem Orlando diese Worte gemurmelt hatte, erschien der Erziehungsminister der gegenwärtigen Regierung, was der Gastgeberin und ihrem Schützling, dem Maler aus Guadalajara, die Gelegenheit bot, das Bild zu enthüllen. Das taten sie gemeinschaftlich, und die Spannung und der Skandal der Soiree erreichten ihren Höhepunkt, da das, was nun alle sahen, das naturgetreue Abbild der Schauspielerin in »Meine Mohnblume, sei nicht mehr so allein« war, in ihrer ganzen prachtvollen Nacktheit: Sie lag auf einem blauen Sofa, das ihr weißes Fleisch und die fehlende Körperbehaarung noch stärker hervorhob, diese sorgfältig verborgen und jenes zur Schau gestellt, beides aber vereint durch die Kunst des Malers in einem erhabenen Ausdruck spiritueller Totalität, als wäre die Nacktheit etwas Gewohntes für diese Nonne, die sich zur Geißelung als einer höheren Form der Unzucht bereitmachte, sich auf das Opfer ihrer Lust einstimmte, um noch etwas anderem als dem Schamgefühl zu huldigen, oder, wie Orlando es zusammenfaßte: »Paß auf, Laura, das ist wie der Titel eines Romans aus dem vorigen Jahrhundert: Nonne und Ehefrau, Jungfrau und Märtyrerin!«
»Es ist das Porträt meiner Seele«, sagte Andrea Negrete zum Erziehungsminister.
»Nun, dann gibt es kleine Härchen auf Ihrer Seele«, antwortete der, der mit seinen scharfen Augen wahrgenommen hatte, daß der Maler den Schamhügel Doña Andreas nicht enthaart, sondern ihren Flaum weiß gemalt hatte, so silbern wie die Schläfen des Stars.
Damit erreichte das Fest seinen Höhepunkt einer aufschäumenden Welle gleich, doch die Fluten
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