Die Jangada
Productionsorte selbst, »Ibirapitunga« heißt, so ist ihm doch der Name »Brazil« geblieben und hat sich, wie erwähnt, eingebürgert für das ganze Land, das unter den Strahlen der tropischen Sonne einer Gluthpfanne ähnlich erscheint.
Zuerst eroberten dasselbe die Portugiesen. Gegen Anfang des sechzehnten Jahrhunderts nahm Pedro Alvarez Cabral (Cabrera), der berühmte Seefahrer, von dem Lande Besitz. Gründeten auch Holland und Frankreich im Laufe der Zeit hier beschränktere Niederlassungen, so ist es doch durchweg portugiesisch geblieben und besitzt alle die Eigenschaften, welche jenes thatenlustige kleine Volk auszeichnen. Jetzt bildet es weitaus den größten Staat des südlichen Amerika, mit dem intelligenten, kunstliebenden Kaiser Dom Pedro als Oberhaupt.
»Welches Vorrecht steht Dir bei Deinem Stamme zu? fragte Montaigne einen Indianer, den er in Havre traf.
– Das Recht, als der Erste in den Krieg zu ziehen!« antwortete einfach der Wilde.
Der Krieg bildete lange Zeit bekanntlich das sicherste und schnellste Verbreitungsmittel der Civilisation. Die Brasilianer thaten dasselbe, wie jener Indianer; sie kämpften, vertheidigten ihre Eroberungen, dehnten diese allmählich weiter aus und jetzt marschiren sie, in ihrem Erdtheile, sozusagen an der Spitze der Civilisation.
Es war im Jahre 1824, sechzehn Jahre nach Begründung des portugiesisch-brasilianischen Reiches, als Brasilien durch den Mund Don Juans, den die französischen Waffen aus Portugal vertrieben hatten, seine Unabhängigkeit vom Mutterlande erklärte.
Bei dieser Gelegenheit entstand die Frage wegen Regelung der Grenzen zwischen dem neuen Reiche und dem Nachbarstaate Peru.
Die Sache war nicht so leicht zu ordnen.
Wenn Brasilien sich nach Westen hin bis zum Rio Napo ausdehnen wollte, so strebte Peru danach, seine Grenze bis zum Ega-See, das heißt acht Grade weiter östlich, vorzuschieben.
Es fand sich kein besseres Mittel als die Befestigung der Insel de la Ronde. (S. 114.)
Inzwischen mußte Brasilien mit Waffengewalt gegen einen Aufstand der Indianer am Amazonenstrome einschreiten, die sich zu Gunsten der spanisch-brasilianischen Missionen empörten. Es fand sich kein besseres Mittel, derartigem Landesverrath Einhalt zu thun, als die Befestigung der Insel de la Ronde, etwas oberhalb Tabatinga, und die Etablirung eines Militärpostens daselbst.
Dieser Entschluß führte zur Lösung der brennenden Tagesfrage, und seitdem verläuft die Grenze zwischen beiden Ländern mitten durch genannte Insel.
Oberhalb derselben ist der Strom peruanisch und heißt, wie früher erwähnt, Marañon.
Flußabwärts ist er brasilianisch und nimmt den Namen Amazonenstrom an.
Am Abend des 25. Juni war es, als die Jangada vor Tabatinga anhielt, der ersten brasilianischen Stadt am linken Stromufer und an der Mündung des Flusses, dessen Namen sie trägt, die übrigens zu dem Kirchspiele Saint-Paul, flußabwärts am rechten Ufer, gehört.
Joam Garral hatte sich vorgenommen, hier sechsunddreißig Stunden zu rasten, um seinen Leuten einmal Ruhe zu gönnen. Die Fahrt sollte also erst am Morgen des 27. fortgesetzt werden.
Jetzt gaben Yaquita und seine Kinder, in der Voraussetzung, weniger als in Iquitos von den schrecklichen Muskitos gepeinigt zu werden, den Wunsch zu erkennen, einmal an’s Land zu gehen und den Flecken zu besuchen.
Die Bevölkerung desselben schätzt man heutzutage auf vierhundert Seelen, fast lauter Indianer, wobei ohne Zweifel auch jene Nomaden mitgezählt sind, welche an den Ufern des Amazonenstromes und seiner Nebenströme eigentlich nur umherziehen, ohne je feste Wohnsitze zu wählen.
Der Militärposten der Insel de la Ronde war seit einigen Jahren aufgelassen oder vielmehr nach Tabatinga verlegt worden. Man kann letzteres also gewissermaßen eine Garnisonstadt nennen; freilich besteht die ganze bewaffnete Macht daselbst aus – neun Soldaten, fast alle Indianer, und einem Unterofficier, der thatsächlich als Befehlshaber des Platzes zu betrachten ist.
Eine gegen dreißig Fuß messende Anhöhe, in welcher Stufen einer etwas unsicheren Treppe angebracht sind, bildet die Courtine (den Mittelwall) der Esplanade, welche die kleine Festungsanlage trägt. Die Wohnung des Befehlshabers umfaßt zwei viereckig angelegte Hütten, während die Soldaten ein längliches Gebäude bewohnen, das hundert Schritte von hier am Fuße eines mächtigen Baumes errichtet ist.
Das Gesammtbild dieser ärmlichen Bauwerke würde mit dem der Dörfer und
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