Die Jangada
Vordertheile mehrere Stimmen durcheinander.
Manoel und Benito erhoben sich, um nach dem Lärme zu sehen.
Drei gewaltigen, fünfzehn bis zwanzig Fuß langen Sauriern war es gelungen, das Deck der Jangada zu erklimmen.
»Schnell die Büchsen her! rief Benito, während er die Indianer und Schwarzen zurückwinkte.
– Zunächst nach dem Hause und unter Dach und Fach, antwortete Manoel, das ist noch nöthiger!«
Er hatte mit dieser Mahnung sicher ganz recht, denn an einen directen Kampf mit den Ungeheuern konnte Niemand denken.
In einem Moment folgte Jeder Manoels Rathe. Die Familie Garral war schon in das Haus geflüchtet, wohin die beiden jungen Männer ebenfalls eilten. Die Indianer und Schwarzen waren in ihren Hütten und Zelten verschwunden.
Manoel wollte eben die Hausthür schließen.
»Wo ist Minha? fragte er.
– Hier sehe ich sie nicht, antwortete Lina, die von dem Zimmer ihrer Herrin herzugelaufen kam.
– Um Gottes Willen, wo ist mein Kind?« rief ihre geängstigte Mutter.
Wie aus einem Munde tönte von Allen sofort der Ruf:
»Minha! Minha!«
Keine Antwort.
»Sie wird doch nicht ganz vorn auf der Jangada sein? sagte Benito.
– Minha!« rief Manoel noch einmal.
Mit den Gewehren in der Hand, stürzten die beiden jungen Männer, aber auch Fragoso und Joam Garral, keiner Gefahr achtend, aus dem Hause.
Kaum hinausgetreten, machten zwei Kaimans eine halbe Wendung und liefen auf sie zu. Benito jagte dem einen eine Ladung Rehposten neben dem Auge in den Kopf und wehrte die Bestie ab, die sich unter heftigen Todeszuckungen umherwälzte.
Der zweite Kaiman kam inzwischen näher heran und auf Joam Garral zu, der ihm nicht zu entfliehen vermochte. Mit einem wuchtigen Schweifschlage warf er ihn zu Boden und drehte sich schon mit weit geöffnetem Rachen nach der Beute um.
In diesem Moment der höchsten Gefahr sprang Torres mit einer Axt in der Hand aus seiner Cabine und hieb damit so glücklich auf das Thier ein, daß die Schneide in der oberen Kinnlade fest sitzen blieb, ohne daß der Kaiman sich davon wieder befreien konnte.
Von dem ihm in die Augen rinnenden Blute geblendet, warf sich das Thier auf die Seite und stürzte in den Strom zurück, wo es unter dem Wasser verschwand.
»Minha! Minha!« rief Manoel noch immer ganz außer sich, während er jene auf dem Vordertheile des Floßes suchte.
Plötzlich ward das junge Mädchen sichtbar. Sie hatte zuerst in Araujo’s Cabane Zuflucht gefunden, diese wurde aber durch den gewaltigen Anprall des dritten Kaimans umgestürzt, und jetzt floh Minha nach rückwärts und das Ungeheuer folgte ihr in einer Entfernung von kaum sechs Fuß nach.
Minha strauchelte und fiel zu Boden.
Eine zweite Kugel Benitos konnte den Kaiman nicht aufhalten, sie traf nur den festen Panzer des Thieres, von dem nur einzelne Schuppen absprangen, ohne daß derselbe durchbohrt wurde.
Manoel eilte auf das geliebte Mädchen zu, sie aufzuheben, weg zu tragen, vor dem drohenden Tode zu retten.. Da – ein neuer Schlag mit dem Schweife – und er stürzte selbst mit nieder.
Die ihrer Sinne beraubte Minha schien unrettbar verloren, denn schon gähnte vor ihr der Rachen des Kaimans, um sie zu zermalmen.
Da drang noch im letzten Augenblicke Fragoso auf das Unthier ein und bohrte ihm, auf die Gefahr hin, selbst den Arm einzubüßen, wenn die fürchterlichen Kinnladen zuklappten, ein Messer tief in die Kehle.
Seinen Arm vermochte er wohl noch rechtzeitig zurückzuziehen, der Kaiman versetzte ihm selbst aber einen so gewaltigen Stoß, daß er davon in’s Wasser geschleudert wurde, welches sich weithin roth färbte.
»Fragoso! Fragoso!« jammerte Lina, am Bordrand der Jangada knieend.
In wenig Augenblicken erschien Fragoso wieder auf der Oberfläche des Amazonenstromes… er war heil und gesund.
Mit Verachtung der Gefahr für sein Leben hatte er das des jungen Mädchens gerettet, die jetzt wieder zu sich kam, und da er von allen ihm dankend entgegen gestreckten Händen Manoels, Yaquitas, Minhas und Linas nicht wußte, welche er zuerst ergreifen sollte, so fand er sich mit einem warmen Händedruck bei der jungen Mulattin ab.
Hatte Fragoso aber Minha gerettet, so verdankte deren Vater sein Leben offenbar dem Eingreifen Torres’.
Daß er dem Leben des Fazenders wenigstens nicht nachstellte, ging doch offenbar aus seiner Handlungsweise hervor.
Manoel machte diese Bemerkung heimlich gegen Benito.
»Das ist richtig, antwortete Benito etwas verlegen, jener Argwohn muß wohl schwinden, und
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