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Die Jangada

Die Jangada

Titel: Die Jangada Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jules Verne
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Garral hatte aber gemessenen Befehl gegeben, vorsorglich zu wachen und aufzupassen.
    Am nächsten Tage, dem 20. August, steuerte der Pilot, der sich wegen der vielen Windungen des linken Stromufers möglichst scharf am rechten hielt, zwischen das höhere Ufer und verschiedene Strominseln hinein.
    Jenseits des Ufers lagen im Lande eine Anzahl größerer und kleinerer Seen verstreut, wie z. B. der Calderon-und der Huarandeïna-See, nebst verschiedenen Lagunen mit sehr dunklem Wasser. Dieses hydrographische System wies auf die Nähe des Rio Negro, des bedeutendsten aller Zuflüsse des Amazonenstromes, hin. Hier führt der große Fluß nämlich noch den Namen Solimoës, nimmt aber nach der Vereinigung mit dem Rio Negro den allbekannten anderen an, der ihn unter allen Wasserläufen der Erde berühmt gemacht hat.
    An diesem Tage glitt die Jangada unter ganz besonders merkwürdigen Umständen dahin.
    Der Flußarm, dem der Pilot jetzt zwischen dem Lande und der Insel Calderon folgte, war ziemlich schmal, obwohl er dem Uneingeweihten sehr breit erscheinen mußte. Es kam das daher, daß ein großer Theil jener, das mittlere Wasserniveau nur wenig überragenden Insel jetzt noch von der Hochfluth überschwemmt wurde.
    An beiden Seiten des Kanals drängten sich Urwälder mit Riesenbäumen hervor, deren Gipfel noch fünfzig Fuß über das Wasser emporragten und, einander berührend, einen ungeheueren grünen Bogengang bildeten.
    Einen höchst pittoresken Anblick gewährte vorzüglich die linke Seite mit ihrem überschwemmten Walde, der mitten in einem See aufgewachsen zu sein schien. Die gewaltigen Stämme ragten da aus dem stillen klaren Wasser hervor, das ihr Geäst mit wunderbarer Klarheit wiederspiegelte. Hätten sie sich aus einem Riesenspiegel erhoben, wie man verschiedenes kleine Tafelgeschirr manchmal aufgestellt findet, so hätte der Wiederschein davon kaum vollkommener sein können. Ein Unterschied zwischen der Wirklichkeit und dem Abbilde war kaum zu entdecken. Durch ihre verdoppelte Größe und oben und unten durch den Abschluß mit einer grünen Decke, schienen sie zwei Halbkugeln zu bilden, deren gemeinschaftlicher wagrechter Achse die Jangada folgte.
    Der Holztrain hatte nothwendiger Weise unter dieses Gewölbe, an dessen Pfeilern sich die leichte Strömung brach, einfahren müssen. Rückwärts zu gehen, erwies sich ganz unmöglich. Es bedurfte also aller Aufmerksamkeit und Gewandtheit des Lenkers, um ein Anstoßen rechts oder links zu vermeiden.
    Unter diesen Umständen trat denn auch die erprobte Geschicklichkeit des von seinen Leuten wirksam unterstützten Piloten Araujo höchst vortheilhaft zu Tage. Die Bäume des Waldes boten übrigens recht geeignete Stützpunkte für die langen Stangen, um die Fahrtrichtung einzuhalten. Der geringste Anprall, der die Jangada nothwendiger Weise quer zur Strömung stellen mußte, hätte ohne Zweifel das ungeheuere Floß zerstört und, wenn auch nicht den Untergang des Personals, doch den Verlust der Ladung zur Folge gehabt.
    »Wahrlich, hier ist’s doch gar so schön! sagte Minha. Es müßte entzückend sein, immer auf so ruhigem Wasser und geschützt vor den Sonnenstrahlen zu reisen.
    – Entzückend und gefährlich zu gleicher Zeit, liebe Minha, erwiderte Manoel. Mit einer Pirogue wäre hier allenfalls nichts zu fürchten, für einen langen Holztrain aber erscheint der offene, freie Strom denn doch als die geeignetere Fahrstraße.
    – Vor Ablauf von zwei Stunden werden wir aus dem Walde herauskommen, bemerkte der Pilot.
    – O, so wollen wir die Augen offen halten! rief Lina. All’ diese Schönheiten gehen gar so schnell vorüber. Sehen Sie da, liebe Herrin, wie die Affenbande sich dort in den hohen Baumästen schaukelt und wie die eitlen Vögel sich stillvergnügt in dem klaren Wasser spiegeln!
    – Und die Blumen, die ihr prächtiges Haupt über das Wasser emporstrecken, fuhr Minha fort, und sich von der Strömung wie von schmeichelndem Winde wiegen lassen!
    – Und die endlosen Lianen, wie sie sich launisch von einem Baume zum anderen winden, setzte die junge Mulattin hinzu.
    – Und doch hängt kein Fragoso an ihrem Ende, mischte sich Linas Verlobter ein. Da im Walde von Iquitos hast Du Dir doch eine schöne Blume gepflückt!
    – Betrachten Sie diese Blume, auf Gottes Erdboden das einzige Exemplar ihrer Art! antwortete Lina gutmüthig spöttelnd. Doch nein, hier, die herrlichen Pflanzen!«
    Lina wies dabei nach riesenblätterigen Nymphäen, deren Blüthenknospen wohl

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