Die Janus-Gleichung
darüber nach, wie ich die Million am besten unter die Leute bringen könnte.«
»Sie scheinen in der Kunst des Geldausgebens nicht sehr bewandert zu sein.«
Essian verzog das Gesicht. Das Essen lag ihm warm im Magen, und die drei Gläser Weißwein, die er auf die Minze mit Kelaminen getrunken hatte, verbreiteten eine wohltuende Wärme bis in die Fingerspitzen. Er fühlte sich wirklich gut. Er konnte sich sogar vorstellen, daß das Gefühl, auch unter der Last der Selbstbetrachtung, Bestand haben könnte.
»Es ist bloß leider so, daß ich für die Sache, die mir am meisten Spaß macht, auch noch bezahlt werde«, sagte er. »Das ist kein Sportsgeist. Unsere Gesellschaft kann den Gedanken, daß einer für seine Spielereien auch bezahlt werden könnte, einfach nicht ertragen, und da nennen sie die ganze Sache dann halt einfach Arbeit. Aber für mich war es immer nur ein Spiel.« Jedenfalls bis vor kurzem; nein, hör auf damit! »Und so bleibt mir gar nichts, wobei ich mein Geld verschleudern könnte. Mein Bankkonto läuft mir davon, füttert sich selbst mit den Zinsen und wird dabei immer fetter.« Essian fand, daß er sich albern benahm, und daß sie glauben könnte, er wolle angeben. Halbherzig beschloß er sich zusammenzureißen.
»Und doch wollten Sie eine Million, bevor Sie den Vertrag unterzeichneten?«
Essian lachte. »Ich habe das erste Angebot von Meridian akzeptiert. Sie haben unter dem Tisch einen erbitterten Angebotskrieg mit Ameritec und Transglobal geführt, bevor sie mir die Million boten. Ich habe sofort angenommen, und eine Viertelstunde später erhielt ich einen Anruf von Ameritec.«
Jill sah überrascht aus. »Ameritec hat versucht, Meridian durch Überbieten auszustechen, nachdem der Vertrag bereits geschlossen war?«
Essian nickte, war aber über ihre offensichtliche Naivität erstaunt. »So verhalten die sich aber alle hinter der offiziellen Fassade.«
Jill tippte mit einem ihrer silber-lackierten Nägel an den Rand ihres Glases. Eine kleine Falte bildete sich zwischen ihren Augenbrauen.
»Sie mißbilligen das?« stellte Essian fest.
»Sie nicht?«
»Ich versuche die Dinge so zu nehmen, wie sie sind. Es gibt da natürlich eine Reihe von Problemen im Konzern-System der Welt, aber es gibt auch deutliche Vorteile gegenüber den alten Gesellschaftsordnungen. Armut ist natürlich immer eine relative Sache, aber verglichen mit den Armen früherer Jahrhunderte leben die Armen von Meridian Alpha in einer wahren Puppenhausidylle. Es gibt für jeden Arbeit und Nahrung.«
»Und was ist mit den geistigen Werten? Ist nicht die Tatsache, jeden Tag etwas zu beißen und einen Acht-Stunden-Job zu haben, etwas mager?«
»Nur wenn man sie bereits hat«, sagte Essian. »Das sind zwar Bedürfnisse, die man als selbstverständlich erachtet, aber sie sind lebensnotwendig. Man kann sich um keine anderen Bedürfnisse kümmern, bis diese elementaren nicht erfüllt sind, und diese Gesellschaftsform erfüllt sie besser als irgendeine vor ihr. Insofern erlaubt sie uns mehr Freiheit; gibt uns mehr Freiraum.«
»Mehr Freiraum«, stimmte sie zu. »Freiraum genug, um sich zu verlieren.«
Essian sah sie an, aber sie drehte sich um und schaute aus dem Fenster. Der Himmel glühte in tiefem Indigo und sattem Violett; ein Vorhang, der nur mit den winzigen Nadelköpfen der Sterne am Firmament befestigt war. Der erhöhte Teil des Bodens, in der Mitte des Restaurants, wurde auf einmal durchsichtig und von unterirdischen Scheinwerfern angestrahlt; einige Paare sammelten sich in einem langsamen Tanz über einem tropischen Aquarium. Von den Bewegungen der Tausenden angezogen, begannen sich die Fische in Trauben unter den Füßen zu versammeln, so wie man es ihnen beigebracht hatte; immer wenn sich ein paar Füße von der Tanzfläche entfernten, schossen sie an die mit Korallen bewachsenen Seitenwände des Beckens. Eine Augenblick lang fürchtete Essian, daß Jill mit ihm tanzen wollte, eine Sache, die er als einziger auf der ganzen Welt nicht zu können schien, aber sie saß ihm nur mit weit geöffneten, dunklen Augen im flackernden Licht der runden Lampen gegenüber. Er starrte so lange zurück, bis sie die angenehme Spannung dieses Blickduells brach.
»Sind Sie in Meridian geboren?«
»Nein, auf der anderen Seite des Globus. London.«
»Ganz schön weit weg.«
Essian dachte an seine Mutter und Ilene, und während er die sich langsam drehenden Paare beobachtete, erinnerte er sich an ein Bild der beiden Frauen, wie sie
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