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Die Janus-Gleichung

Die Janus-Gleichung

Titel: Die Janus-Gleichung Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Steven Spruill
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Gesichtes in seinen Kopf ein Talisman wäre. Er zwang sich, an die fehlenden Papiere zu denken und in ihrem Verschwinden einen vernünftigen Sinn zu sehen. Vielleicht hatte er sie ja einfach nur verlegt. Unter Umständen tauchten sie in einer Schublade auf oder fanden sich zwischen den Seiten eines seiner zahlreichen Fachbücher wieder. Essian dachte den Gedanken zu Ende, obwohl er sehr gut wußte, daß das nicht möglich war, aber er fühlte sich einfach besser, wenn er versuchte, der Sache nachzugehen.
    Roshoff richtete sich auf und sah ihn aus den funkelnden, stahlharten grauen Augen an, von denen böse Zungen behaupteten, er habe sie von seinem vierten Lebensjahr an besessen.
    Essian war Roshoff bislang nur einmal begegnet, und damals hatte ihm die Kombination der leblosen Augen, die keine Pupillen zu haben schienen, und des unförmigen übergewichtigen Körpers Unbehagen eingeflößt; jetzt löste sie bei ihm eine Reaktion aus, die schon fast an Ekel grenzte. Als der Mann aber nichts sagte und lediglich in seine Richtung starrte, war es Essian unmöglich, das Schweigen noch länger zu ertragen.
    »Ich hätte Sie wegen der Lappalie nicht aus dem Bett holen sollen.«
    »Es handelt sich um die Janus-Papiere, nicht wahr?« Roshoff sprach mit leicht vorgeschobenem Kopf. Die Stimme war hoch und schrill.
    »Es handelt sich dabei um Aufzeichnungen aus der allerersten Zeit, als mir gerade erst die Idee gekommen war; unbedeutende Gleichungen in einer Art Kurzschrift, die nur mir verständlich ist. Ich hatte es sehr eilig, meine Ideen zu Papier zu bringen, und da meine Notiztafel zu der Zeit gerade nicht funktionierte, habe ich die Sache so schnell wie möglich aufgeschrieben. Für die meisten Leute würden sie keinerlei Sinn ergeben.«
    »Und für einen anderen Mathematiker?«
    »Ich bezweifle, daß die meisten meiner Mitarbeiter sie begreifen würden.«
    »Die meisten. Aber was ist mit einer Person, die denselben Beruf ausübt wie sie und vielleicht fast ebenso intelligent ist?«
    Essian gab keine Antwort.
    »Ameritec könnte solch einen Mathematiker haben«, sagte Roshoff grübelnd. Der fette Mann drehte sich einmal langsam um die Achse, wobei die stählernen Augen jeden Millimeter dieses Kreises erfaßten. Essian hauste in einem Apartment aus drei Ebenen, dem fünften dieser Art in einer Reihe von fünfzehn übereinander liegenden Wohnungen. Aus einer engen Halle in der Mitte führte eine Treppe an der Längsseite des Apartments in die Höhe, auf der zweiten Etage befanden sich Küche und Eßzimmer und auf der dritten Schlafraum, Bad und Kaminzimmer. Essian war sich zwar nicht ganz sicher, aber Roshoffs Aufmerksamkeit schien hauptsächlich auf die Stapel der langsam vor sich hin gilbenden Texte und Zeitungen gerichtet zu sein, die sich zwischen zwei wohlgefüllten Bücherregalen türmten. Roshoff wollte eben zu den Regalen gehen, als Essians Kater Ace über die Treppe ins Wohnzimmer geschossen kam, vor ihm auf die Füße fiel und dafür einen leichten Klaps auf den Kopf erhielt. Roshoff zuckte und wandte sich zu Essian um.
    »Ganz nette Bibliothek.« Er deutete auf die Bücherregale.
    »Sie interessieren sich für Bücher?«
    »Nein, nicht wirklich. Ein altmodisches und teures Hobby. Hübsche Wohnung.«
    »Danke.« Essian hätte den Sicherheitsbeamten am liebsten angebrüllt. Seine Notizen waren fort, gestohlen, und Roshoff schlenderte so ruhig und gelassen durch sein Apartment, als sei er ein riesiger blinder Karpfen in seinem See.
    »Nun denn, Sie verdienen ja wohl eine Stange Geld bei uns, nicht wahr?«
    »Ja. Das wissen Sie doch.«
    »Ich weiß auch, daß Sie nicht nur einmal, sondern sogar zweimal von Hermann Droit, einem Spitzel aus Ameritec, angesprochen worden sind. Möchte wissen, was der glaubt, Ihnen anbieten zu können, das Sie nicht bereits hätten.«
    »Nächstesmal schicken Sie am besten jemanden, der von den Lippen lesen kann, dann wissen Sie es.«
    Roshoff nickte mehrmals, und Essian begriff, daß er sich den Mann besser nicht zum Feind machte.
    »Sagen Sie, Dr. Essian, warum muß sich jemand mit einem eidetischen Gedächtnis eigentlich irgendwelche Notizen machen – ganz besonders, wenn es sich um etwas handelt, was er sich selber ausgedacht hat.«
    »Weil mein eidetisches Gedächtnis sich auf visuelle Dinge beschränkt«, antwortete Essian. »Wenn ich es nicht aufschreibe, habe ich keine rechte Vorstellung von den Dingen, über die ich nachdenke.«
    »Ja, gut, aber warum haben Sie die Notizen

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