Die Janus-Gleichung
stellten sie sogar eine Einladung dar. Ohne darüber nachzudenken, streichelte er über ihren Nacken, zog sie zu sich heran. Ihr Mund suchte den seinen mit schnellen, behutsamen Küssen. Sie glitten von der Schaukel auf die Knie, und der Boden unter ihnen wurde weich, antwortete mit Mikrosensoren, wo er ihr Gewicht spürte.
Essians Körper kribbelte unter der Wärme der sich öffnenden Poren, die Hose schien ihm zu eng zu werden, als er ihr Haar weich wie eine Feder über seinen Nacken streifen fühlte; die warme, leicht feuchte Weichheit ihres Rückens, die er unter den Fingern spürte, das sachte Anheben ihrer Schenkel, als sie sich an ihn schmiegte. Plötzlich überfiel ihn die Vorstellung von Eric Winters, der ihn fast eben so berührte hatte, wie sie es jetzt tat, und er rollte sich von ihr fort, blieb auf dem Bauch liegen und grub die Finger mit solcher Kraft in den nachgiebigen Boden, daß er sich fast die Nägel abgebrochen hätte.
Nach und nach wurde er sich ihrer Hände bewußt, die ihm sanft Nacken und Schultern massierten. Er atmete tief durch und versuchte das Hämmern in seinen Schläfen zu besänftigen, während ihm eine hämische innere Stimme vorhielt, daß es mit ihr hätte schön sein können, und daß es ihn auf eine seltsame Art und Weise von seiner selbst auferlegten inneren Qual befreit hätte. Er preßte die Finger fest auf die geschlossenen Augen, bis die sich überlappenden Bilder von Jill Selby und Eric Winters sich in einem schmerzhaften Schauer roter Nadelstiche auflösten. Vorsichtig zog ihm Jill die Hände vom Gesicht.
Er stand auf. »Bitte, es tut mir leid, aber ich glaube, ich gehe jetzt besser.«
»Ich will nicht, daß du gehst.« Ihre Stimme war sehr sanft und ließ ihn verharren. »Genau dasselbe hast du mir vor ein paar Minuten gesagt; jetzt sage ich es zu dir. Ich will nicht, daß du gehst.«
»Ich… ich muß…« Das Blut strömte ihm in den Magen, das Atmen wurde ihm schwer, und er glaubte ersticken zu müssen. Jills Gesicht sah ihn vom Boden, von dort, wo sie nicht immer saß, an; ein heller Fleck, der ihn kaum wahrnahm. Er ging zur Tür, sie holte ihn ein, und eine Hand krallte sich im Rücken seines Jumpsuits fest. Die Sinnlosigkeit dieser Geste überraschte ihn so sehr, daß er stehenblieb.
»Kommst du morgen wieder?« fragte sie ihn.
»Dein Urlaub…«
»Ich könnte ihn verschieben; zumindest um ein, zwei Tage. Ich könnte… ach, ich weiß es auch nicht. Nur, könntest du morgen wiederkommen? Bitte.«
Die Sekunden verstrichen, er nickte endlich, und sie ließ ihn los; er fühlte, wie sich der Stoff über seiner Haut glättete. Sobald sich die Tür öffnete, flüchtete er; machte sich aus dem Staub, wie ein beschämter Schuljunge.
Als er an Adamly vorübereilte, hob der Mann noch nicht einmal die Augen von seinem Notizbuch, aber als Essian einige Augenblicke später auf dem Rollband stand und über die Schulter zurücksah, befand er sich pflichtgemäß zwanzig Meter hinter ihn. Essian wünschte sich nichts sehnlicher, als daß er den Mann irgendwie verschwinden lassen könnte; daß er sich selbst für eine Weile verlieren könnte; daß er nicht nur Adamly, sondern auch dem Bienenstock Meridian Alpha und den Menschenmassen, die sich um ihn herum auf das Rollband zu drängen schienen, entkommen könnte. Er fühlte, wie sie ihn beobachteten, wie sie seinen inneren Aufruhr noch anheizten, und tief verwirrt wie er war, fühlte er sogar einen Anflug von Furcht. Zurückblickend sah er, daß Adamly verschwunden war; die Vergegenwärtigung dessen, was sich in Jills Wohnung abgespielt hatte, ernüchterte ihn einen Augenblick später. Bevor er noch reagieren konnte, drückte sich ein harter Gegenstand in seinen Rücken, und eine Stimme sagte: »Verhalten Sie sich ganz normal, oder Sie sind ein toter Mann.«
VII
Im ersten Augenblick geriet Essians Verstand außer Kontrolle: Fast wäre er vom Rollband abgesprungen, herumgewirbelt, hätte auf den Blaster in seinem Rücken eingeschlagen, hätte geschrien und wäre davongelaufen. Statt dessen stand er ganz still, tat gar nichts, der Adrenalinstoß verebbte langsam und ließ ihn momentan geschwächt zurück.
»So ist’s fein«, sagte die Stimme hinter ihn. »Tun Sie, was ich Ihnen sage, dann werden wir hervorragend miteinander auskommen. Da vorn ist ein Lastenaufzug, wo ein Mann an der Tür arbeitet. Wenn ich es sage, verlassen Sie das Rollband und steigen in den Fahrstuhl. Verstanden?«
Als Essian zögerte,
Weitere Kostenlose Bücher