Die Janus-Gleichung
wollte. Er improvisierte. »Mein Ansehen wäre ruiniert. Kein Konzern würde mir jemals wieder einen Arbeitsvertrag anbieten.«
»Ich glaube, daß Sie sich nicht so ganz über die Folgen unseres Angebots im klaren sind. Sie brauchten sich niemals wieder um eine Anstellung zu bemühen, nicht mit dem fürstlichen Angebot von fünf Prozent. Und wegen Ihres Rufes brauchten Sie sich auch keine Sorgen zu machen. Die Welt würde Sie als den Mann in Erinnerung behalten, der die Grenzen der Zeitbarriere gesprengt hat; daß Sie es für uns und nicht für Meridian getan haben, wäre bald vergessen.«
»Darüber läßt sich streiten«, sagte Essian. »Die Papiere, die Sie aus meinem Safe entwendet haben, befassen sich mit einer rein theoretischen, ziemlich kuriosen Annahme, nicht mehr. Ihre Quellen haben Sie im Stich gelassen; es gibt keine Zeitmaschine.«
Die Worte verloren sich in Schweigen, büßten ihre Wirkung ein und schrumpften zu einem Nichts zusammen; und noch immer saß der Mann da, so wie die Katze, die sich halb abgewandt, mit eingezogenen Krallen und schläfrigen Augen vor dem Mauseloch zusammenkauert, wohl wissend, daß die Maus ihr Loch irgendwann einmal verlassen muß. Essian sah sich um, nahm das Durcheinander der Röhren und Kisten wahr, versuchte Gleichgültigkeit vorzutäuschen, beobachtete eine Spinne, die zwischen den Lamellen einer Holzkiste dicht neben seinem Stuhl umherkrabbelte.
»Sie brauchen Bedenkzeit«, sagte der Mann. »Ich gebe Ihnen vierundzwanzig Stunden Zeit.«
Vierundzwanzig Stunden. Vierundzwanzig Stunden, um ihn mit Jill auszusöhnen. Vierundzwanzig Stunden, um die Gleichung zu beenden, von der er noch immer wußte, aus Gründen, die sich seinem bewußten Denken entzogen, daß er sie beenden mußte. Die Krebsgeschwulst der Enttäuschung explodierte in seinem Hals. »Und wenn ich Ihr Angebot ablehne?«
»Wenn Sie ablehnen? Wie kann es daran einen Zweifel geben, wenn es das Janus-Projekt, worauf Sie ja bestehen, gar nicht gibt?« Auf eine Handbewegung des Mannes hin zerrten irgendwelche Hände Essian aus dem Stuhl hoch und drehten ihn zur Tür. Einer der beiden Leibwachen öffnete sie und ließ einen rechteckigen Lichtflecken ins Zimmer fallen, während der andere Essian davon abhielt, sich dem sitzenden Mann zuzuwenden.
»Sie können gehen, Dr. Essian. Ich bin mir sicher, daß Sie über unsere Begegnung Schweigen bewahren werden. Wir werden Sie wegen Ihrer Antwort aufsuchen. Wenn Sie Ihre Möglichkeiten überprüft haben, Ihre Alternativen, dann bezweifle ich, daß Sie das Angebot ablehnen werden.«
Seine Entführer drängten Essian in die Halle und schlossen hinter ihm die Tür.
VIII
Wie betäubt ließ Essian sich über die Rollbänder treiben, bis endlich der Gedanke in sein Bewußtsein durchdrang, daß er seinen Leibwächter suchen mußte. Er versuchte, das eben Geschehene beiseite zu schieben und statt dessen darüber nachzudenken, was Adamly möglicherweise nach seinem Verschwinden unternommen hatte. Der Aufpasser hatte unter Umständen Roshoff informiert und dabei versucht, seinen Fehler zu verschleiern; jedenfalls konnte Adamly es nicht allzulange hinauszögern, höchstens eine Stunde. Wenn er die Möglichkeit berücksichtigte, daß ihn Essian nicht vorsätzlich abgeschüttelt hatte, dann wäre er vielleicht zuerst zur Abteilung A gegangen und danach zu Essians Wohnung. Er entschied, daß Adamly inzwischen genügend Zeit gehabt haben mußte, um in seinem Büro nachzusehen, und machte sich daher auf den Weg zum Apartment, trottete die Rollbänder entlang und hoffte, daß er Recht behalten würde: daß er nicht zu spät kam. Als seine Wohnungstür hinter einer Biegung des Korridors in Sicht kam, verlangsamte er das Tempo und holte tief Luft. Adamly wartete noch nicht auf ihn.
Essian öffnete die Tür mit seinem Handabdruck und eilte dann zum Sofa. Er starrte über den Fußboden, der sich in Augenhöhe befand, und beobachtete den Schlitz unter der Tür. Selbst als er schon eine ganze Weile dagesessen hatte, floß ihm der Schweiß noch immer so schnell in die Kleidung, wie die kalksaure Faser ihn desodorieren und verdunsten konnte. Essian wußte, daß er sich eigentlich Gedanken darüber machen sollte, was zu tun wäre, wenn Adamly jetzt nicht bald auftauchte, oder wie er dem Ultimatum, das man ihm eben gestellt hatte, entkommen könnte. Statt dessen dachte er an Jill.
Er fühlte keinerlei Scham mehr darüber, daß er sich von ihr abgewandt hatte. Selbst wenn er
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