Die Janus-Vergeltung
Verankerung zu brechen. Er zwang sich, eine Hand vom Fenster zu lösen, und griff nach dem schmalen Mauervorsprung. Seine Fingerspitzen klammerten sich an den Stein.
»Los.« Er flüsterte sich das Wort laut zu, und das riss ihn aus seiner Erstarrung. Zentimeter für Zentimeter hangelte er sich am Sims entlang. Gerade als er die Ecke erreichte, beugte sich ein maskierter Terrorist aus dem Fenster, das Sturmgewehr in der Hand.
Kapitel drei
Randi Russell stand im Lagezentrum der CIA in McLean, Virginia, umgeben von acht Flachbildschirmen an den Wänden und sechzehn Computern auf Schreibtischen. Mindestens zehn Leute hielten sich in dem fünf mal vier Meter großen Raum auf. Es war neun Uhr abends Eastern Standard Time, und ihr ganzes Team hatte sich versammelt, als die ersten Berichte von Schüssen in Den Haag eingetroffen waren. Ihre besten Leute saßen an den Computern und verfolgten die Lageberichte der verschiedenen Internet-Nachrichtendienste, während andere die herkömmlichen Medienberichte studierten, die live vom Ort des Geschehens gesendet wurden. Randi selbst hatte rund um die Uhr herauszufinden versucht, was das genaue Ziel des Anschlags sein würde. Sie war gerade erst nach Hause gefahren, um ein wenig zu schlafen, als ihr Telefon klingelte und sie erfuhr, dass das, wovor sie gewarnt hatten, eingetroffen war. Sie war rasch in Jeans, Schuhe und ein Baumwollhemd geschlüpft und hatte sich sofort wieder ins Auto gesetzt. Auf der Fahrt nach McLean hatte sie gebetet, dass man die Terroristen stoppen würde, bevor sie allzu viele Unschuldige töten konnten.
Rastlos ging sie vor den Bildschirmen auf und ab und verfolgte, wie die holländische Polizei mit einer Situation umging, der sie nicht gewachsen war. Sie überlegte, wie ihr Team helfen konnte. Die Livebilder von CNN zeigten das Grand Royal Hotel, wo im fünften Stock Flammen aus einem Fenster schlugen. Man hörte Gewehrschüsse und Explosionen, und der CNN -Korrespondent kommentierte das Geschehen mit angespannter Stimme.
»Die Hotelgäste liefern ständig neue Informationen. Es scheint in jedem Stockwerk einen Terroristen zu geben.« Jana Wendel, die erst vor Kurzem von der Yale University angeheuert worden war, verfolgte die Webseite eines Nachrichtendienstes, der laufend kurze Lageberichte lieferte. Seit dem Beginn des Anschlags war die Webseite zweimal zusammengebrochen, aber gleich wieder erschienen, um weitere dramatische Neuigkeiten zu berichten. »Sie haben auf meinen Mann geschossen, er verblutet, bitte schicken Sie schnell Hilfe zu Zimmer 602«, lautete die letzte Meldung. Jana Wendel nahm sich sichtlich zusammen, doch Randi sah, dass sie Tränen in den Augen hatte. Der Mann neben ihr, Nicholas Jordan, war ebenfalls neu im Team und überwachte die europäische Ausgabe der Webseite. Auch er schien den Tränen nahe. Doch ihre Emotionen hinderten sie nicht daran, ihre Arbeit zu tun.
»Wo ist Andreas Beckmann?«, fragte Randi in die Runde.
»Unterwegs«, antwortete einer ihrer Leute.
»Er soll beim Hotel in Position gehen, so nahe wie möglich.« Beckmann war CIA -Scharfschütze, einer der wenigen, die zurzeit in den Niederlanden stationiert waren.
Randi Russell befand sich nur vorübergehend in McLean aufgrund eines neuen Programms, das der Director of National Intelligence ins Leben gerufen hatte. Das Amt des DNI war eine Konsequenz der Anschläge von 2001 in New York und Washington. Er war direkt dem Präsidenten unterstellt und erstattete ihm seit 2005 täglich Bericht. Der DNI beschäftigte sich hauptsächlich mit der Korrektur von Versäumnissen und Schwächen im Geheimdienstwesen, die die Katastrophe von 9/11 erst möglich gemacht hatten. Das jüngste Programm sollte die Kommunikation zwischen den Agenten draußen im Einsatz und McLean verbessern. Randi hatte ihre Fähigkeiten in vielen Feldeinsätzen unter Beweis gestellt. In ihrer jüngsten Mission hatte sie mitgeholfen, ein wachsendes Problem in Afrika zu bereinigen. Daraufhin hatte die CIA beschlossen, sie von dem Kontinent abzuziehen, bis die Erinnerung an sie verblasst war. Man hatte ihr eine Beratungstätigkeit im Hauptquartier übertragen, dazu die Leitung einer kleinen Gruppe von Agenten in ganz Europa. Obwohl sie in der neuen Rolle im Grunde als Managerin fungierte, fand sie zu ihrer eigenen Überraschung Freude daran, stets das Gesamtbild im Auge zu behalten und bedeutende strategische Entscheidungen zu treffen. Manchmal packte sie an ihrem Schreibtisch die Ungeduld,
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