Die Janus-Vergeltung
Endlich brach das Glas. Er hangelte sich zu der Öffnung und seufzte erleichtert, als er mit der Hand den Fensterrahmen erreichte. Er schwang ein Bein über den Rahmen und ließ sich auf der anderen Seite hinunter.
Smith sank auf den Teppich und lag einige Sekunden schwer atmend am Boden. Von draußen kam erleichterter Applaus, doch er war nicht in der Stimmung, um mit den Polizisten und Rettungskräften zu feiern. Er befand sich wieder mitten im Zentrum der Katastrophe, mit einem Toten im Zimmer, und ohne zu wissen, was ihn draußen erwartete. Die Terroristen wüteten immer noch im Hotel.
Der Sprinkler sprühte Wasser auf ihn herab, doch der Alarm war verstummt. Als das Handy in seiner Tasche klingelte, zuckte er überrascht zusammen. Er griff in die Tasche und zog es hervor. Auf dem Display stand »Unbekannt«. Smith zögerte, doch dann dachte er sich, es könnte Klein von einem anderen Telefon sein. Er drückte die Empfangstaste, hob das Handy ans Ohr und schwieg.
»Mr. Smith, hier spricht der Mann, der gerade die Terroristen ausgeschaltet und das Fenster eingeschossen hat. Darf ich Sie um einen Gefallen bitten? Könnten Sie die Kugeln einsammeln, wenn Sie sie finden? Die beiden, die ich für die Terroristen benutzt habe, explodieren und lassen sich nicht mehr zu einem Schützen zurückverfolgen. Aber die beiden für das Fenster waren ganz gewöhnliche Kugeln.«
Smith stand auf, während er der Stimme des Anrufers lauschte. Das Englisch des Mannes war mit einem leichten Akzent gefärbt, der deutsch oder schweizerisch sein mochte, und er sprach so ruhig und gelassen, als gehörte es zu seinem normalen Arbeitsalltag, Terroristen zu erschießen.
»Warum brauchen Sie sie?«, fragte Smith.
»Mein Arbeitgeber möchte nicht, dass jemand Fragen über meine Rolle hier stellt. Ich dürfte eigentlich keine Leute auf ausländischem Boden erschießen, nicht einmal die größten Verbrecher.«
Smith hatte anfangs gedacht, der Mann würde für Covert One arbeiten, doch jetzt war ihm klar, dass das nicht sein konnte. Covert One war eine Sondereinheit, die jenseits der üblichen bürokratischen Genehmigungsprozesse agierte. Smith bezweifelte, dass es für diese Geheimorganisation eine Regel gab, wonach keine Terroristen auf fremdem Boden eliminiert werden durften.
Er blickte sich auf der anderen Seite des Betts nach den beiden Kugeln um, die das Dreieck vervollständigt hatten, und fand sie schließlich in der Wand. Er klemmte das Handy zwischen Ohr und Schulter, zog die Projektile aus der Wand und steckte sie ein.
»Ich hab sie. Woher haben Sie meine Nummer?«
»Von meinem Arbeitgeber. Ich glaube zwar nicht, dass sich im dritten Stock noch Terroristen aufhalten, trotzdem ist es nicht ratsam, dort zu bleiben. Ich würde vorschlagen, Sie kommen über die Nordtreppe herunter. Bis dahin bin ich auch dort und gebe Ihnen Feuerschutz. Die holländische Polizei versucht, das Haus abzuriegeln, aber ich habe vorhin eine zweite Gruppe von Terroristen gesehen, die sich vom Hotel entfernt. Die Nacht ist noch lange nicht vorbei.«
Smith überlegte, wie viele Schützen in der Lage sein mochten, mit einer solchen Präzision zu arbeiten wie dieser Mann. Er kam zu dem Schluss, dass der Anrufer entweder einer europäischen Spezialeinheit oder einem Geheimdienst angehörte. Die Tatsache, dass er von »ausländischem Boden« gesprochen hatte, deutete darauf hin, dass er kein Holländer war.
» CIA , Mossad oder MI6 ?«, fragte Smith.
»Ich habe die Anweisung, Sie – wenn irgend möglich – sicher aus dem Hotel zu bringen. Sie können mir vertrauen.« Der Mann war der Frage ausgewichen, aber Smith beschloss, ihm zu glauben. Er hatte ihm gerade das Leben gerettet, außerdem waren seine eigenen Optionen gerade ziemlich eingeschränkt.
»Bin schon unterwegs«, sagte er.
Er warf einen Blick auf den toten Mann auf dem Bett, machte sich aber nicht die Mühe, ihn zu untersuchen; der riesige Blutfleck auf dem Hemd, wo die Kugel eingedrungen war, ließ keine Fragen offen. Er checkte seine Waffe und eilte zur Tür, ohne zu wissen, was ihn draußen erwartete.
Kapitel fünf
Nathaniel Fred Klein nickte im Vorbeigehen dem Secret-Service-Agenten zu, der den Eingang zum Weißen Haus bewachte. Klein war etwa sechzig, mittelgroß, schlank und hatte ein zerfurchtes, hageres Gesicht. Mit seinem zerknitterten Anzug, seiner allgegenwärtigen Tabakspfeife und seinen durchdringenden Augen, die einen hellwachen Geist verrieten, wirkte er auf
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