Die Joghurt-Luege
der es steckt, die Gewinnspannen, die Erzeuger und Verkäufer generieren, die Transportwege, die es absolviert hat … Lebensmittel sollen nicht nur gesundheitlich, sondern auch ethisch-moralisch unbedenklich sein, sie sollen die Umwelt möglichst wenig belasten, Ressourcen schonen, eine Übervorteilung Einzelner nicht zulassen, Nutztieren ein artgerechtes Dasein ermöglichen und vieles andere mehr. Doch bislang ist es nicht einmal möglich, umfassende Informationen über solche Produkte zu bekommen, welche zum Beispiel aufgrund ihres Gehalts an Schadstoffen nachweislich nicht für den Verzehr geeignet sind. Behörden und Unternehmen sind nicht zur Auskunft verpflichtet, die Namen der beanstandeten Erzeugnisse oder deren Hersteller bleiben geheime Verschlusssache. In Deutschland gibt es kein Gesetz, das |306| das Informationsrecht des Bürgers gegenüber der Lebensmittelüberwachung regelt.
Ein zentrales Informationsdefizit besteht vor allem darin, dass der Verbraucher die Qualität eines Produktes kaum ins Verhältnis zu seinem Preis setzen und mit anderen vergleichen kann. Faktoren wie die Marktmacht des Herstellers, Produktionsprozesse oder Werbeaufwand, die über den Endverbraucherpreis mitentscheiden, kann er nicht abschätzen. Häufig ist nicht einmal der Geschmack ein verlässliches Kriterium, lässt er sich doch durch vielerlei produktionstechnische Raffinessen und Tricks bei der Rezeptur manipulieren – ebenso wie Textur, Geruch oder Farbe. Niemand kann seinen Sinnen mehr trauen, und Transparenz liegt nicht im Interesse der Lebensmittelindustrie. Kein Filet erzählt, dass das Schwein, von dem es stammt, auf 0,7 Quadratmeter ohne Einstreu vegetieren musste, und keine Tasse Kaffee, dass zwar die großen Kaffeeröster vom Verkauf der braunen Bohnen profitieren, Kleinbauernfamilien in Entwicklungsländern dagegen kaum menschenwürdig leben können. Einen Marktmechanismus, der solche Kriterien zu einem Wettbewerbsvorteil für »gute« Produzenten ummünzt, existiert nicht. Noch lohnt es sich für Erzeuger und Handel, zu vertuschen und zu beschönigen.
Nichtsdestotrotz können Verbraucher einiges bewegen. Über die simple Formel »Kauf oder Nichtkauf« haben sie die Macht, über die Marktpräsenz eines Produkts zu richten und letztendlich zu entscheiden, welchen Erfolg ein Unternehmenskonzept hat. Einige Fortschritte belegen diesen Trend, der vielleicht in eine nie gekannte »Demokratie der Esser« mündet.
FAIR gehandelt
Auf Kosten anderer gut zu leben, will vielen Konsumenten nicht mehr so recht schmecken. Kaffee, Tee und Kakao aus Entwicklungsländern sind ein fester Bestandteil des westlichen Lebensmittelsortiments – und sie sind billig zu haben. Die Bedingungen, unter denen sie produziert werden, waren lange Zeit tabu; kaum jemand fragte |307| danach, wie die Erzeugerfamilien in Afrika, Asien und Lateinamerika über den nächsten Monat kamen. Das änderte sich 1969, als im niederländischen Breukelen der erste Weltladen seine Pforten öffnete. Derzeit arbeiten europaweit etwa 2 500 Weltläden; in Deutschland sind es rund 800.
Die Initiatoren mussten allerdings einen langen Atem haben. Anfangs waren es die oft belächelten »Alternativen«, die in solchen Läden einzukaufen pflegten. Doch die Idee, der Preis für eine Ware müsse vor allem denen zugute kommen, die sie herstellen, fand immer mehr Anhänger. Erst in den 1990er Jahren erreichte sie den Konsumenten von nebenan. Mit der Gründung von TransFair in Deutschland wird das Ziel vom Kopf auf die Füße gestellt; umfangreiche Werbe- und Informationsmaßnahmen starten Die Gemeinschaftsorganisation aus Unicef, »Brot für die Welt« und anderen Wohltätigkeitsorganisationen, ist Träger des europäischen, gleichnamigen Siegels, das nur an solche Produkte vergeben wird, die fair gehandelt werden.
Üblicherweise haben Erzeuger aus den Entwicklungsländern kaum eine Chance, Zugang zu den westlichen Märkten zu finden, was teils an der wirtschaftlichen und sozialen Unterentwicklung ihres Heimatlandes, aber auch am Weltwirtschaftssystem selbst liegt. Die Preise ihrer Produkte bestimmen die Erzeuger nicht selbst, sondern werden an der Börse ausgehandelt – zum Beispiel für Zucker oder Kaffee. Der Erlös reicht den Bauern meist nicht einmal, um ihren Lebensunterhalt zu decken. Von steigenden Weltmarktpreisen profitieren in erster Linie die Händler. Weil die Bauern in den Entwicklungsländern größtenteils für den Export produzieren, sind sie von
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