Die Joghurt-Luege
das National Cholesterol Education Programm Expert Panel (NCEP, der US-Gesundheitsbehörde zugeordnet) die Verwendung ausdrücklich empfiehlt.
Was die Werbung allerdings verschleiert: Die Empfehlungen konzentrieren sich derzeit ausschließlich auf Erwachsene mit Hypercholesterinämie zur Senkung des Gesamt- und LDL-Cholesterins und auf den Einsatz in der Sekundärprävention nach einem durch Arterienverkalkung (Arteriosklerose) hervorgerufenen Krankheitsbild wie Schlaganfall, Herzinfarkt oder Verstopfungen in den Beinschlagadern (»Schaufensterkrankheit«). 29 Auf seiner Internetseite 30 wirbt Unilever dagegen: »Becel pro-activ ist ein neuartiges Lebensmittel für alle, die ihren Cholesterinspiegel aktiv senken möchten.« Hier findet sich kein Wort darüber, dass die Pharmamargarine nicht für alle gleichermaßen zuträglich ist. Erst das Etikett schränkt ein: Für Schwangere, Stillende und Kinder bis fünf Jahre sei sie »unter Umständen nicht zweckmäßig«. Auch Verwender cholesterinsenkender Medikamente, so der Hinweis, sollten sie mit Bedacht konsumieren. Der Grund: Verspeist ein Patient die »Pille aufs Brot« und nimmt zusätzlich entsprechende Medikamente, sinkt sein Cholesterinspiegel möglicherweise zu stark ab.
Was dem Verbraucher verborgen bleibt, ist die Tatsache, dass Phytosterine negativen Einfluss auf andere Stoffwechselvorgänge haben können, beispielsweise auf den Gehalt fettlöslicher Vitamine im Blutplasma. Mit Phytosterinen angereicherte Margarine kann zwar nach heutigen Erkenntnissen Vitamin K, das in Tomaten enthaltene starke Antioxidans aus der Carotinoid-Familie, Lykopin, oder Vitamin E nicht beeinträchtigen. Dagegen scheint sie den Beta-Carotin-Gehalt in Mitleidenschaft zu ziehen, wie vermutlich auch andere fettlösliche Vitamine. Die American Heart Association rät deshalb zu weiteren Studien, vor allem auch bei Schwangeren und |69| Kindern. Weil noch nicht feststeht, ob und wie sich die Senkung des Beta-Carotins auf den Organismus auf Dauer auswirkt, und angesichts der Tatsache, dass immer mehr Functional Food auf den Markt kommt, raten Forscher dazu, »ein effektives Post-Marketing-Sicherheitsnetz« 31 zu etablieren. Wie das im Einzelnen aussehen könnte, bleibt offen.
Phytosterine haben längst ihren Siegeszug in der gesamten EU angetreten. Während in Deutschland derzeit (2006) lediglich zwei Margarinen auf dem Markt sind, finden sich in den Supermärkten unserer europäischen Nachbarn mit Phytosterinen versetzte andere Produkte des täglichen Bedarfs wie Joghurt, Milch-, Frucht- und Sojagetränke, Gewürz- und Salatsoßen. Seit die EU im November 2004 das In-Verkehr-Bringen von entsprechenden Milchprodukten erlaubt hat, kann der Verbraucher seit kurzem auch in Deutschland angereicherten Joghurt und Milchgetränke kaufen. 32 Damit Verbraucher mit Phytosterinen oder Phytostanolen versetzte Lebensmittel von anderen unterscheiden können, müssen diese laut EU-Verordnung 608/2004 besonders gekennzeichnet sein. In der Nähe des Namens muss der Hinweis »mit Pflanzensterin-/Pflanzenstanolzusatz« stehen; eine Mengenangabe auf dem Produkt ist ebenfalls vorgeschrieben.
Doch wie soll der Verbraucher einschätzen, wie viel gut, wie viel schlecht für ihn ist, wenn sich selbst Wissenschaftler noch den Kopf über Wechselwirkungen zwischen Medikamenten und ihren gebratenen, gebackenen und gekochten Functional-Food-Pendants zerbrechen?
SPS : Die Menge macht das Gift
In großen Mengen aufgenommen, gelten viele andere sekundäre Pflanzenstoffe nicht gerade als unbedenklich. Einige Nebenwirkungen haben sich in Tierstudien und Reagenzglasversuchen gezeigt, über andere diskutieren die Fachleute noch. Hier vier Beispiele für die vermuteten Folgen einer Überdosierung: 33
|70| Saponine könnten die Durchlässigkeit des Darmes beispielsweise für giftige Substanzen erhöhen und die Darmzellen schädigen. Das Saponin Glycyrrhizin erhöht den Blutdruck; Ernährungsmediziner fordern deshalb einen Grenzwert für Lakritz, der pro 100 Gramm 2 000 Milligramm Glycyrrhizin enthält.
Sulfide (wie zum Beispiel das bakterientötende und lipidsenkende Allicin im Knoblauch) stehen im Verdacht, die Entwicklung bösartiger Zellen in der Leber voranzutreiben. Die untersuchten Mengen liegen allerdings weit über der Menge, die ein Mensch über die natürliche Nahrung aufnehmen kann. Entsprechend der im Tierversuch eingesetzten Menge müsste er täglich 2 Kilogramm Knoblauch verspeisen.
Bestimmte Glucosinolate
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