Die Joghurt-Luege
(genauer: Glucosinolatderivate, zum Beispiel Thio- und Isothiocyanate) begünstigen die Kropfbildung, weil sie mit Jod, das zur Bildung von Schilddrüsenhormonen benötigt wird, konkurrieren. Um einen »Kohlkropf« auszulösen, müsste ein Mensch jedoch über längere Zeit mit Jod unterversorgt sein und gleichzeitig pro Tag 400 Gramm Weißkohl, 2 Kilogramm Chinakohl oder 2,8 Kilogramm Rettich essen.
Isoflavone , Lignane und Coumestane sind SPS mit einer hormonähnlichen Wirkung und werden deshalb den Phytoöstrogenen zugeordnet. Einige besitzen ein prokanzerogenes Potenzial, zum Beispiel können sie das Wachstum von Adenokarzinomen der Gebärmutter begünstigen. Die Substanz Genistein, ein Isoflavanoid, das in der Sojabohne vorkommt, kann Zellbestandteile und die Erbsubstanz DNS schädigen. Diese Schäden ähneln denen, die auch bei Kindern mit Blutkrebs (akute infantile Leukämie) auftreten. Säuglinge, die mit Sojaprodukten gefüttert werden, können autoimmunbedingte Schilddrüsenerkrankungen entwickeln. Vor allem Sojasäuglingsnahrung ist wegen der hohen Konzentration an Phytoöstrogenen umstritten. Die Kinder nehmen mit der Flasche zwischen 2 und 4 Milligramm pro 100 Milliliter auf, was einer Dosis von 3 bis 7 Milligramm pro Kilogramm Körpergewicht entspricht. Diese liegt um ein Vielfaches höher als bei Erwachsenen, die sich traditionell mit Sojaprodukten ernähren (unter einem Milligramm pro Kilogramm und Tag). 34
|71| Wechselwirkungen mit Medikamenten
Einige sekundäre Pflanzenstoffe sind dann nicht mehr harmlos, wenn der Esser gleichzeitig Medikamente einnehmen muss. Zumindest für Fumarocumarine, für die Flavonoide Quercertin und Kämperol sowie das Abbauprodukt von Naringin, das Naringenin, ist diese Wechselwirkung belegt. Die genannten Stoffe kommen besonders in Grapefruitsaft vor, Naringin beispielsweise ist für den bitteren Geschmack der Früchte verantwortlich. Ärzte empfehlen daher, Medikamente nur mit Wasser einzunehmen. Soweit man heute weiß, besitzt normaler Orangensaft nicht das Interaktionspotenzial von Grapefruitsaft.
Die genannten SPS beeinflussen die Bioverfügbarkeit von oral aufgenommenen Medikamenten, indem sie deren Verstoffwechselung entweder beschleunigen oder hemmen. Je öfter der Patient Grapefruitsaft trinkt, desto mehr verstärkt sich der Effekt, tritt jedoch schon vom ersten Genuss an auf. Er lässt erst nach einigen Tagen nach; sind zwischen drei und sieben Tage nach der Aufnahme des Saftes verstrichen, ist er gänzlich verschwunden. Kalziumantagonisten, wie sie Kardiologen ihren Patienten zur Behandlung oder Verhütung von Angina Pectoris, gegen Bluthochdruck oder Herzrhythmusstörungen verschreiben, sind am besten untersucht. Solche Medikamente bremsen den Einstrom von Kalziumionen in die Muskelzellen des Herzens und der Blutgefäße, was sie entspannt. Dadurch kann das Blut gemächlicher fließen, der Blutdruck sinkt und das Herz wird entlastet. Grapefruitsaft erhöht beispielsweise die Bioverfügbarkeit mancher Kalziumantagonisten (nachgewiesen für: Felodipin, Nitrendipin, Nisoldipin) sowie des in der Aids-Therapie eingesetzten Saquinavir um mehr als 70 Prozent, das anderer Substanzen wie des Antihistaminikums Terfenadin, des Antiepileptikums Carbamazepin oder des Antidementivums Nimodipin um 30 Prozent. Interaktionen sind auch für einige CSE-Hemmstoffe und Statine beschrieben, wie sie zur Behandlung von zu hohen Cholesterinwerten (Lipidsenker ) verschrieben werden, und bei den Benzodiazepinen zur Behandlung von Angst- und Unruhezuständen. 35
Schon stellen Mediziner die Überlegung an, diese an sich negative |72| Wechselwirkung positiv zu nutzen: Wenn es gelänge, sie exakt vorherzusagen, könnten sie ihren Patienten weniger Medikamente verordnen – die erwünschte Arzneimittelwirkung wäre die gleiche, die finanzielle Entlastung für das Gesundheitssystem beachtlich. Bis heute ist das allerdings nicht gelungen.
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Functional Food: Lebensmittelrecht in der Schwebe
Den Begriff Functional Food im Rechtsraum zu orten, fällt schwer, denn er entzieht sich einer eindeutigen Zuordnung. Durch seine Zwitterstellung zwischen Arznei- und Lebensmitteln taucht er bislang in keiner rechtlich verbindlichen Definition auf, denn der heutigen Rechtsauffassung zufolge sind beide Bereiche strikt voneinander getrennt. Zwar existieren Regelungen für Nahrungsergänzungsmittel, nicht aber für Functional Food, das gleichzeitig Nährmittel und Therapeutikum ist. In
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