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Die Joghurt-Luege

Titel: Die Joghurt-Luege Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Vlad D. Georgescu , Marita Vollborn
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Substanzen vermindern, die an der Krebsentstehung beteiligt sind, so das Enzym Beta-Glukuronidase, bestimmte Gallensäuren und Aflatoxin.
    Tierexperimentelle Untersuchungen haben gezeigt, dass die Verfütterung von Laktobazillen, Bifidobakterien und komplexen Kohlenhydraten kanzerogene Verbindungen im Darm entgiften können, was zu einer Verringerung von genetischen Schäden sowie Tumoren geführt hat. Gegenwärtig wird geprüft, inwiefern dieser Mechanismus auch für die menschliche Ernährung zutrifft. 17
    Doch es gibt auch Ergebnisse, die keinerlei Nutzen von Probiotika zeigen, wenn auch weniger. Zum Beispiel hatten sich in |58| einer Studie die Hoffnungen zerschlagen, bei einer Birkenpollenallergie durch die Einnahme von Lactobacillus rhamnosus GG in Pillenform mit weniger Medikamenten auszukommen. Auch besserten sich die Symptome der Patienten nicht. In einer anderen Studie sollte die Wirkung probiotischer Kulturen auf Reisediarrhoe getestet werden. Ein Teil der untersuchten, in Südamerika stationierten britischen Soldaten nahm Lactobacillus fermentum und L. acidophilus , ein weiterer ein Scheinpräparat zu sich. Nach etwa vier Wochen ergaben sich keine Unterschiede zwischen den Gruppen; sowohl die Mitglieder der einen als auch die der anderen litten etwa gleich oft an Durchfall. 18

    Die Aufzählung zeigt, in welch engem thematischem Rahmen die Untersuchungen ablaufen. Steht schließlich ein Ergebnis fest, gilt es allein für diese Fragestellung und kann nicht verallgemeinert werden. Hier aber setzt raffiniertes Marketing an: Es sammelt einzelne positive Resultate und präsentiert sie in einem Kontext, der dem Verbraucher suggeriert, Probiotika seien Allheilmittel – jedes wirke gegen Krebs und Durchfall, Allergien und Infektionen, egal welcher Zusammensetzung, egal welcher Dosis. Genau das aber ist ein Trugschluss, dem viele Konsumenten erliegen.
    Auch ist bis heute nicht genau geklärt, wie Probiotika eigentlich ihre hilfreiche Arbeit tun und welchen Einfluss der Organismus darauf hat. Dass nicht jeder Mensch gleich ist, ist hinlänglich bekannt: Er unterscheidet sich nicht nur in Geschlecht und Alter, sondern auch hinsichtlich Konstitution, Krankheitsanfälligkeit, Nahrungs- und Arzneimittelverträglichkeit, Phasen wie Krankheit und Stress; bei Frauen kommen noch menstruationsabhängige Lebensabschnitte, Schwangerschaft und Stillzeit hinzu. Deshalb hat auch der individuelle Organismus einen gehörigen Anteil daran, wie Substanzen, die ihm zugeführt werden, verwertet werden. Fachleute nennen das Pharmakokinetik; sie beschreibt Aufnahme, Verteilung, Abbau und Ausscheidung eines Wirkstoffs in Abhängigkeit von der Zeit. Die Pharmakokinetik bei Probiotika ist derzeit Gegenstand intensiver Forschung – weil eben nicht enträtselt.
    Die Anzahl der Studien wächst von Jahr zu Jahr, doch reichen |59| diese für ein endgültiges Fazit bisher nicht aus. Außerdem beziehen die einzelnen Untersuchungen zu wenige Patienten ein 19 – und zu geringe Fallzahlen rechtfertigen nicht, die Lobeshymnen der Hersteller in ein Edikt zum massenhaften Ad-hoc-Kauf umzumünzen. Dass viele überdies in vitro, im Reagenzglas also, oder als Tierversuch ablaufen und klinische Studien mit menschlichen Probanden kaum ersetzen können, lässt erst recht Zweifel an generellen Empfehlungen à la »Actimel aktiviert Abwehrkräfte« (Actimel von Danone), »Die kleine Gesundheitspflege« (Yakult vom gleichnamigen Hersteller) oder »Ein täglicher Beitrag für Ihre Gesundheit« (LC1 von Nestlé) aufkommen, denn die Wissenschaft hat bislang keine eindeutige Antwort darauf, wie viele Bakterien täglich aufgenommen werden müssen und ob die Veränderung der Darmflora auf Dauer wirklich unproblematisch ist. Kritiker des neuen Ess- und Trinkkults, wie der wissenschaftliche Informationsdienst des Europäischen Insituts für Lebensmittel- und Ernährungswissenschaften (EU.L.E. e.V.) verweisen auf Unsicherheiten. Zwar ist bis heute noch nie eine auf Milchsäurebakterien zurückzuführende Infektion durch den Verzehr von entsprechenden Lebensmitteln nachgewiesen worden. Doch weiß man seit mehr als 100 Jahren, dass Bakterien aus dem Intestinaltrakt durch die Darmschleimhaut in den Körper gelangen können, wo sie sich in Leber, Milz und Niere festsetzen. Weil diese Wanderung aber in äußerst geringem Maße stattfindet und die Ausreißer üblicherweise vom Immunsystem vernichtet werden, besteht bislang kein Grund zur Panik. Es ist allerdings denkbar,

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