Die Joghurt-Luege
Ware nachzubräunen, um einen höheren Teegehalt vorzutäuschen und das natürlich nicht zu deklarieren. Obwohl die chemischen Untersuchungsämter der Städte und Kreise Proben nehmen, haben sie kaum eine Chance, die schwarzen Schafe zu überführen. Zum einen können wegen begrenzter Mittel und Zeitressourcen nur einige Proben untersucht werden. Der zweite Grund aber wiegt schwerer: Die Nachweismethode hat ihre Grenzen. Üblicherweise wird Zuckercouleur nicht direkt, sondern über ein Nebenprodukt, das bei der Herstellung anfällt, nachgewiesen. Um diese Substanz, das 4-Methylimidazol, festzustellen, verwenden Behörden die Analysemethode HPLC (Hochleistungs-Flüssigkeits-Chromatographie), die jedoch die gesuchte Substanz nur ab einer bestimmten Menge nachweisen kann. Weil Zuckercouleur aber eine hervorragende Färbekraft besitzt, genügen für Erfrischungsgetränke im Allgemeinen zwischen 0,02 bis 0,2 Prozent. Das klingt nicht viel – aus toxikologischer Sicht ist aber schon das bloße Vorhandensein von 4-Methylimidazol inakzeptabel. Die Substanz ist kaum untersucht; was man über sie weiß, ist wenig beruhigend. Das ist auch der Grund für die Festlegung eines Grenzwertes in Zuckercouleur von 250 Milligramm je Kilogramm. 70 Eine Umstellung der behördlichen Untersuchungsmethoden auf sensiblere Verfahren scheint daher mehr als angebracht.
|149| Nicht erlaubt und trotzdem verwendet
In Schuhcreme mag Sudanrot seine Berechtigung haben, in Gewürzen nicht. Als französische Behörden im Mai 2004 den Azofarbstoff, der eigentlich zum Anfärben von Benzin, Heizöl und Bohnerwachs bestimmt ist, in Chili entdeckten, zweifelte niemand mehr an der Skrupellosigkeit schwarzer Schafe. Schon ein Jahr zuvor wurde Sudanrot, das auch unter dem Synonym Sudan bekannt ist, in verschiedenen Erzeugnissen, darunter Chili- und Paprikapulver und entsprechenden Gewürzmischungen gefunden, obwohl es innerhalb der EU für Lebensmittel nicht zugelassen ist. Frankreich informierte über das Europäische Schnellwarnsystem für Lebens- und Futtermittel die Europäische Kommission und deren Mitgliedsstaaten. Mit der Entscheidung 2003/460/EG forderte die Europäische Kommission alle Mitgliedsstaaten auf, sicherzustellen, dass keine belasteten Einfuhren in den Handel gelangen, und setzte die Nachweisgrenze auf 10 Milligramm pro Kilogramm fest. Bereits auf dem Markt befindliche Ware sollte umgehend auf Sudan getestet werden. Wenig später meldeten Frankreich, Italien und Großbritannien weitere Funde – in Gewürzen und Fertiglebensmitteln; Deutschland und die Schweiz folgten. Im Laufe der Monate stießen die Behörden immer wieder auf Sudan. Nachdem die britische Lebensmittelsicherheitsbehörde im Januar 2005 Sudan in Worcestersauce gefunden hatte, stellte sie eine Liste mit 350 Produkten zusammen, in denen die belastete Soße verarbeitet worden war. Auch in der Schweiz tauchten entsprechende Lebensmittel auf. Das Schweizerische Bundesamt für Gesundheit beruhigte die Bevölkerung zwar, eine unmittelbare gesundheitliche Gefährdung bestehe nicht, warnte aber vor einem Dauerkonsum. In Deutschland hieß es zuerst, dergleichen Produkte seien nicht auf dem Markt, doch mussten die Behörden diese Aussage bald revidieren. In Bayern und Schleswig-Holstein stießen sie auf betroffene Ware, Rückrufaktionen starteten.
Sudanrot ist ein gesundheitsschädlicher Stoff, Studien belegen seine mutagenen Eigenschaften. Er ist in der Lage, mit den Erbsubstanzmolekülen DNA und RNA stabile Verbindungen einzugehen. In Tierversuchen mit Ratten und Mäusen wirkte Sudanrot karzinogen. Die »International Agency for Research on Cancer« (IARC) stuft die |150| Sudanfarbstoffe in die Kategorie 3 ein. Stoffe der Kategorie 3 geben wegen ihres krebserregenden Potenzials Anlass zur Besorgnis, können aber wegen unzureichender Informationen nicht endgültig beurteilt werden. Trotzdem ist Vorsicht angebracht. Diese Einschätzung gilt für alle Sudantöne (Sudan I, II, III und IV).
Bis heute wurde Sudan in Chili und Chilierzeugnissen, Gewürzmischungen wie Currypulver, in Lebensmitteln, die daraus hergestellt sind, und in weiteren Verarbeitungsstufen gefunden, in gefärbten Teigwaren, in Palmöl, Paprika und Soßen, die häufig aus Drittländern wie Indien, der Türkei oder Osteuropa stammen. Beispielsweise wurde das Chemische und Veterinäruntersuchungsamt Karlsruhe bei Gewürzen und Gewürzmischungen bei fünf von 50 Proben fündig, was insgesamt 10 Prozent entspricht. Den
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