Die Joghurt-Luege
mit 4 Gramm je Kilogramm höchsten Wert wies Paprikagewürz auf. Bei den Würzmitteln stießen die Lebensmittelkontrolleure bei 17 von 57 Proben auf Sudan – hier waren also 30 Prozent betroffen. Dass besonders skrupellose Lebensmittelproduzenten den höchstwahrscheinlich krebserzeugenden Stoff einsetzen, hat seinen Grund: Die natürlicherweise enthaltenen Farbstoffe wie Carotinoide sind nicht lichtstabil und verblassen mit der Zeit; Sudan dagegen bewahrt auch unter Lichteinfluss seine Farbenpracht. Manche Erzeuger haben auch Schwierigkeiten, den hohen Keimgehalt in Gewürzen in den Griff zu bekommen. Werden zur Keimminderung dann Oxidationsmittel eingesetzt, bleicht die Ware aus. Schließlich dienen die kräftigen und lichtechten Industriefarben dazu, den Urzustand vorzutäuschen.
Zum Schutz des Verbrauchers gelten EU-weit seit 2004 folgende Regeln: 71
Die Einfuhr von Chili und Chilierzeugnissen ist nur dann erlaubt, wenn ein Analysebericht bestätigt, dass Sudanrot I–IV nicht enthalten sind.
Die Behörden müssen prüfen, ob ein solcher Analysebericht vorliegt. Falls nicht, muss der Importeur das Erzeugnis untersuchen lassen.
Den zur Einfuhr vorgestellten und im Handel erhältlichen Produkten werden Stichproben entnommen. Falls Sudan festgestellt |151| wird, wird die Europäische Kommission über das Schnellwarnsystem informiert.
Chili und Chilierzeugnisse, in denen Sudan nachgewiesen wird, werden vernichtet.
Wenig später erweiterte die Kommission die Untersuchungspflichten beim Import auf Currypulver, im Mai 2005 dann auch auf Kurkuma und Palmöl, sodass sich die genannten Maßnahmen auch auf diese Erzeugnisse beziehen – nicht aber auf andere Lebensmittel, in denen die Behörden fündig geworden waren. Sie fallen durch das Sicherheitsnetz der Europäischen Kommission. Wie dringend notwendig eine möglichst breit gefächerte Überwachung ist, führt ein Warnruf der britischen Behörde für Lebensmittelsicherheit, der »Food Standards Agency« (FSA), vor Augen: Sie hatte Sudan I mit einer Konzentration von 4 Milligramm je Kilogramm in dem zugelassenen Lebensmittelfarbstoff Gelborange S (E 110) ermittelt. Gelborange S, das an sich schon als möglicher Allergieauslöser gehandelt wird, ist beinahe überall verbreitet. Man trifft es unter anderem in Getränken an, in Lachsersatz, Krabben, Garnelen, Kaugummi, Fertigsuppen, Backwaren und Biskuits mit Orangengelee, Kunsthonig, Speiseeis, Fruchtkonserven, Paniermehl, Zitronenquark und in Süßigkeiten.
Für andere problematische Farben, die ebenso wenig wie Sudan I bis IV als Lebensmittelfarbstoffe zugelassen sind, aber trotzdem immer wieder in Produkten auftauchen, wie Orange G, Sudanrot 7B oder Buttergelb, gibt es in Europa überhaupt keine gemeinsame Marschrichtung, keine verfügbaren Daten für eine Risikobewertung und damit keinen vorbeugenden Gesundheitsschutz.
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Deklaration – vom Glauben an die Zutatenliste
Für die Lebensmittelindustrie ist die »Liebe auf den ersten Blick« zwischen Produkt und Konsument von großer Bedeutung. Pralle Erdbeeren auf Joghurtbechern suggerieren Fruchtigkeit, goldgelbe |152| Ähren auf Cornflakeskartons Natürlichkeit und weidende Kühe auf Milchetiketten artgerechte Tierhaltung. So verschieden die Produkte, so gleich das Ziel: Die Verpackungen sollen Vorfreude bereiten auf ein Produkt, das nur darauf wartet, gekauft und genossen zu werden. Dass es viele Hersteller wurmt, dem Kunden mit ausufernden Zutatenlisten den Appetit verderben zu müssen, ist nachvollziehbar.
Beredtes Beispiel für die Vorgaukelung falscher Tatsachen ist und bleibt der Erdbeerjoghurt; immerhin gehört jeder fünfte verkaufte Joghurt in diese Kategorie. Die Beliebtheit der Erdbeere in Deutschland ist ungebrochen, doch reicht die gesamte deutsche Erdbeerernte von etwa 53 000 Tonnen pro Jahr bei weitem nicht aus, um all die Joghurtbecher, Marmeladengläser, Schokoladen oder Strudel zu füllen. Deshalb braucht es Ersatz: Ein spezieller Schimmelpilz, der auf Sägespänen einer australischen Holzart wächst, hilft der Zunge auf die Sprünge und erspart der Industrie, teure Rohwaren anderweitig zu beschaffen. So lag der Fruchtgehalt in Erdbeermagerjoghurt bei etwa 1 Prozent – selbst der beste Erdbeerjoghurt 72 enthält maximal eine einzige Frucht pro 250-Gramm-Becher, der Durchschnitt liegt bei einer halben Frucht. Der Rest sind naturidentische Aromen, Zucker und, damit die Illusion perfekt ist, »Fruchtstücke«. Diese bestehen
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