Die Joghurt-Luege
3 . (Übersicht der in Deutschland aufgetretenen BSE-Fälle siehe Tabelle 20).
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Tabelle 20: BSE-Fälle in Deutschland
*Stand: Januar 2006; Summe aller bisherigen Fälle je Bundesland Quelle: Bundesministerium für Verbraucherschutz, Ernährung und Landwirtschaft (BMVEL)
BSE, »Bovine spongiforme Enzephalopathie«, heißt wörtlich übersetzt etwa »Rinder-Hirnschwamm« und bezieht sich auf die Form des Gehirns, das unter dem Einfluss der Erreger schwammartig durchlöchert wird. BSE gehört zu einer ganzen Formengruppe verwandter Krankheiten, den »übertragbaren, schwammartigen Hirnerkrankungen« oder Transmissiblen spongiformen Enzephalopathien (TSE, siehe Tabelle 21). Die älteste bekannte Form ist die Traberkrankheit bei Schafen, auch Scrapie genannt. Schäfer hatten sie erstmals im 18. Jahrhundert beobachtet. Allein in Großbritannien erkranken jährlich schätzungsweise 10 000 Schafe an Scrapie.
Schon in den 1960er Jahren vermuteten Wissenschaftler, es könne sich bei dem Erreger der TSE-Erkrankungen um abartige Eiweiße handeln. Während übliche Krankheitserreger gegen Desinfektionsmittel wie Äthanol oder Formaldehyd, ionisierende oder ultraviolette Strahlen oder Hitze empfindlich sind, überstehen die Erreger der |186| TSE-Erkrankungen solche äußeren Einflüsse unbeschadet. Sie sind so widerstandsfähig, dass sie sogar im Boden Jahre überdauern können. Ende 1970 griff der amerikanische Forscher Stanley B. Prusiner die Eiweißidee wieder auf und formulierte daraus 1982 die »Prionentheorie« (Prion abgeleitet von »proteinaceous infectious particles«, auf Deutsch etwa »eiweißartige ansteckende Teilchen«), wofür er 1997 den Nobelpreis für Medizin erhielt. Bei den abartigen Prionen handelt es sich um spezielle Eiweiße, die sich von den normalen körpereigenen durch eine andere Struktur unterscheiden: Ihre Abfolge von Aminosäuren ist abweichend, dadurch sind sie anders gefaltet. Die normalen körpereigenen Prionen werden mit PrP(c) bezeichnet, die krankmachenden mit PrP(sc). Pathogene Prionen veranlassen normale Prionen, sich ebenfalls umzufalten. Die Mechanismen der Infektiosität der PrP(sc) sind bis heute weitgehend ungeklärt. Übertragen wird die Krankheit durch infiziertes Tiermehl und »Milchaustauscher« bei Kälbern. Der Mensch kann sich über den Verzehr von Risikomaterial wie Knochen, Hirn- und Lymphgewebe oder Rückenmark anstecken und erkrankt an einer neuen Variante der Creutzfeld-Jakob-Krankheit (vCJK). Nach Einschätzung der Weltgesundheitsorganisation (WHO) sind Fleisch und Milch unbedenklich.
Dem derzeitigen Kenntnisstand nach hat BSE eine Inkubationszeit von drei bis sieben Jahren; die Angaben darüber variieren stark. Der Verlauf der Krankheit ist kurz und heftig: Erkrankte Tiere sterben nach drei bis sechs Monaten. Allerdings treten offensichtliche BSE-Symptome erst in einem Alter auf, das Rinder normalerweise gar nicht erreichen – sie werden vorher geschlachtet, Mastbullen zum Beispiel nach 14 bis 20 Monaten, Hochleistungsmilchkühe dagegen erst nach vier bis fünf Jahren. Die Krankheit beginnt unspektakulär und schleichend: Obwohl die Fresslust lange erhalten bleibt, magern die Tiere ab und geben immer weniger Milch, sie erschrecken sich übermäßig bei Berührung, durch unvermittelte Geräusche oder plötzliches Licht, blicken ängstlich, knirschen mit den Zähnen, zittern und schlagen aus. Später verstärken sich die Verhaltensänderungen, und es kommen Bewegungsstörungen wie Straucheln und Stolpern hinzu. Auch beim Menschen degeneriert das Gehirn, bis die |187| meisten Körperfunktionen verloren gehen. Die Inkubationszeit beim Menschen liegt bei durchschnittlich 13 Jahren; zwischen Ausbruch der Krankheit und Tod liegen etwa 14 Monate. Die vCJK ist nicht therapierbar und nicht heilbar.
Tabelle 21: TSE-Formen im Überblick
Quelle: Bundesamt für Veterinärwesen (BVET)
Die Europäische Union hat eine Reihe von Sicherheitsvorkehrungen getroffen, um die Seuche einzudämmen. So ist vorgeschrieben:
dass Risikomaterial von Rindern nicht verwendet werden darf – bei über 12 Monate alten Rindern sind das der Schädel einschließlich Gehirn und Augen sowie Mandeln, Rückenmark mit Wirbelsäule und Nervenknoten der Rückenmarksnerven (Spinalganglien). Der gesamte Darm aller Rinder, gleich welchen Alters, ist als Risikomaterial eingestuft. Es darf nicht in die Nahrungskette gelangen und wird eingeäschert;
dass Schlachttiere, die ein Lebensalter von 30 Monaten
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