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Die Joghurt-Luege

Titel: Die Joghurt-Luege Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Vlad D. Georgescu , Marita Vollborn
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Gewissheit, wie sich die Erreger in der »Black Box« Mensch oder Wiederkäuer ausbreiten.
    Im Unterschied zu anderen Lebensmittelskandalen ist für BSE genau dokumentiert, wie es zu einem Ausbruch kommen konnte, wie |183| Industrie und Bauernlobby gelogen, die Politik vertuscht und die Verbraucher vertraut haben. Ungeachtet der Zustände aber gilt der Rohstoff deutsches Rindfleisch wieder als »sicher« – ob das wirklich so ist, will das folgende Kapitel beantworten.

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Verschlusssache BSE
    In den letzten 14 Jahren gelangte das Fleisch Tausender BSE-kranker Tiere unerkannt in französische Geschäfte. Der Fall gilt als Desaster für den Verbraucherschutz und die behördlichen Kontrollen – und hat möglicherweise bereits erste Todesopfer gefordert. Dieses Beispiel zeigt wie kein anderes : Lebensmittelkontrollen sind in der EU im Alltag unzureichend, obwohl es ausgefeilte Überwachungssysteme gibt. Die aber will offensichtlich niemand haben.
    »Wir gehen davon aus, dass zwischen 1980 und dem Jahr 2000 insgesamt 301 200 Rinder in Frankreich mit BSE infiziert waren«, resümieren Virginie Supervie und Dominique Costagliola. Die beiden Forscher vom Nationalen Institut für Gesundheitswesen und medizinische Forschung in Paris machten im Jahr 2005 einen neuen, wenn auch bis heute kaum beachteten BSE-Skandal in Frankreich publik. Laut einer im Fachblatt Veterinary Research publizierten Studie 1 kamen bis 1996 insgesamt 47 300 infizierte Rinder auf den Tisch der französischen Verbraucher. Besondere Brisanz erhält das Papier, weil es Fehler in der Bekämpfung der tödlich verlaufenden und auf den Menschen übertragbaren Tierseuche aufzeigt. Denn erfasst und publik wurde erst die zweite Infektionswelle; die erste blieb unentdeckt.
    Nachdem Anfang der 1980er Jahre in Großbritannien die ersten Fälle der gefährlichen Prionenerkrankung ins Bewusstsein der Öffentlichkeit getreten waren, bemühte sich die französische Regierung vorwiegend um einen Importstopp für infizierte Kühe aus dem Nachbarland. Doch die Kontrolle der eigenen Bestände startete erst Jahre später, nachdem 1991 das erste französische Rind mit BSE-Symptomen bekannt geworden war. Noch im Jahr 1989, fast fünf Jahre nach dem ersten BSE-Fall in Großbritannien, fütterten Landwirte |184| in Frankreich ihre Viehbestände mit britischem Tiermehl – und verseuchten auf diese Weise die Nahrungskette mit Prionen. Auch waren französische Herden bereits in den 1980er Jahren längst mit BSE infiziert. Die Publikation der beiden Forscher überraschte die Regierung in Paris zu einem denkbar ungünstigen Zeitpunkt. Die französischen Behörden mussten den Tod eines 55-jährigen Mannes bekannt geben, der an der Variante der Creutzfeldt-Jakob-Erkrankung (vCJD) gestorben war. Es handelte sich dabei um den bisher siebten vCJD-Todesfall in Frankreich.
    Einen Zusammenhang zwischen BSE und vCJD hatten Forscher bereits 1996 festgestellt. In ungewöhnlich scharfer Form kritisierte Costagliola die Behörden der französischen Republik: Man habe »seit einiger Zeit gewusst, dass die offiziellen Statistiken nicht das wahre Ausmaß der Epidemie widerspiegeln«, schrieb der Wissenschaftler. Die Fakten geben ihm Recht: Laut amtlicher Zählung gab es in Frankreich in den vergangenen 14 Jahren lediglich 923 mit BSE infizierte Rinder. Die restlichen 290 000 kommen in dieser Erfassung gar nicht vor. Dabei hätten die Behörden spätestens vor fünf Jahren reagieren können. In einem Bericht des wissenschaftlichen Komitees der EU (SSC), der im Juli 2000 erschien, warnten die Experten schon vor weitaus höheren BSE-Zahlen in Frankreich. Auf Seite fünf des Papiers kommen die Experten zu dem alarmierenden Schluss, dass die Überwachung »kein reales Bild über die Zahl der BSE-Fälle wiedergibt«.
    In Deutschland gibt es solche warnenden Stimmen nicht. Im Frühjahr 2004 stellte das Institut für Tierernährung und Diätetik der Universität München eine Risikoanalyse 2 vor, die das bayerische Gesundheitsministerium in Auftrag gegeben hatte. Die Wissenschaftler nannten vor allem Zahlen: Während 2001 125 Tiere positiv auf BSE getestet worden waren, seien es im Jahr 2002 noch 106 und 2003 54 Rinder mit BSE gewesen. Spätestens ab 2013, so lautet die Prognose, würde in Deutschland weniger als ein Fall pro Jahr nachgewiesen werden. Allerdings sei nicht auszuschließen, dass »auch in Bayern ein Eintrag von BSE-Erregern in die Nahrungskette erfolgt sein könnte«

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