Die Joghurt-Luege
eine Überwachung der Rinderbestände nach Schweizer Vorbild. ABGELEHNT.
3.5.1997
Die bayerische Tierärztekammer bietet Aufklärung über BSE an. Der Bayerische Bauernverband lehnt ab: In Deutschland gäbe es kein BSE.
4.3.1999
Gesundheitsministerin Barbara Stamm, CSU, kritisiert die BSE-Schnelltests in Nordrhein-Westfalen.
20.5.1999
Im bayerischen Landtag fordern die Grünen BSE-Schnelltests. ABGELEHNT.
20.10.1999
Im bayerischen Landtag fordert die SPD BSE-Schnelltests. ABGELEHNT.
9.11.2000
Im bayerischen Landtag bekräftigt Gesundheitsministerin Stamm, Bayern sei BSE-frei.
22.12.2000
Der bayerische Landwirtschaftsminister Josef Miller, CSU, sagt, er wisse schon seit 1995, dass Tierfutter verunreinigt sei.
|208| Noch im Jahr 2000 hatte Deutschland die Pläne der EU-Kommission, breit angelegte BSE-Tests vorzuschreiben, abgelehnt. Im vertraulich tagenden Veterinärausschuss der EU hatte sich der deutsche Vertreter vehement gegen obligatorische Tests an Alttieren ausgesprochen. Sein Argument: Deutschland sei wegen seiner strengen Sicherheitsregeln ohnehin BSE-frei 22 – ein Argument, das Hardlinerin Stamm nicht müde wurde zu wiederholen. Im Juni desselben Jahres hatte sie sich beim damaligen Bundeslandwirtschaftsminister Karl-Heinz Funke (SPD) gegen eine Verschärfung der Auflagen bei der Entsorgung von Hochrisikomaterial eingesetzt. Später musste sie einräumen, dass sie den Brief auf Druck von Bauernpräsident Gerd Sonnleitner verfasst hatte. 23
Zu viel stand auf dem Spiel, um den Kritikern Glauben zu schenken und im Sinne des Verbraucherschutzes aktiv zu werden: Es war zu befürchten, dass das Land im ohnehin schwierigen EU-Markt für Milch und Rindfleisch an Terrain einbüßt, schließlich hatte es bislang einen sehr guten Stand in der EU. Damals erwirtschaftete Deutschland einen Außenhandelsüberschuss (Exporte minus Importe von Rindfleisch) von 306 000 Tonnen Rindfleisch und stand nach Irland, Österreich und Belgien/Luxemburg an vierter Stelle der Union; es exportierte 339 000 Tonnen Rind- und Kalbfleisch in die EU, weitere 64 000 Tonnen nach Russland, je 7 000 Tonnen nach Ägypten und in den Iran sowie 1 000 Tonnen nach Nordkorea. Angst vor einer Seuche würde die Märkte noch mehr destabilisieren, die Preise drücken und die Gewinne in der Landwirtschaft schmälern, befürchteten Politiker wie Lobbyisten.
2005 wurden in Deutschland knapp 13 Millionen Rinder gehalten, davon vier Millionen Milchkühe. Der Rückgang hat in erster Linie wirtschaftliche Gründe: Die Milchleistung der Kühe steigt permanent, und es sind immer weniger Kühe notwendig, um die gleiche Milchmenge zu produzieren. Auch die Zahl der Schlachtungen 24 ist laut Statistischem Bundesamt zurückgegangen, zwischen 5 Prozent bei Kälbern und rund 11 Prozent bei erwachsenen Tieren. Von extremen wirtschaftlichen Einbußen kann dennoch keine Rede sein. Zum einen hatte nicht BSE den Rückwärtstrend beim Konsum von Rindfleisch ausgelöst. Schon zuvor war der Pro-Kopf-Verbrauch von 20 Kilogramm Ende der 1960er Jahre |209| über etwa 14 Kilogramm in den 1980er Jahren bis auf knapp 11 Kilogramm im Jahr 2000 gefallen. Und obwohl der Rindfleischverbrauch durch BSE ab 2000 um 25 bis 30 Prozent gesunken war, war die Nachfrage kaum ein Jahr später wieder auf 80 Prozent des Vorabniveaus gestiegen. Am deutlichsten traf die Angst vor BSE die »reinen« Rindermastbetriebe. Während andere Mastbetriebe, die zusätzlich Geflügel- oder Schweinemast unterhielten, die Verluste durch die teils stark gestiegenen Preise bei anderen Fleischarten ausgleichen und sich sogar über zusätzliche Gewinne freuen konnten, mussten die Rindermäster einen Gewinnrückgang von 7,5 Prozent hinnehmen. 25 Allerdings waren die Zusammenhänge vielschichtiger, als es das Wehgeschrei der Lobbyverbände Glauben machen wollte, zudem gab es Kompensationsmöglichkeiten. Einerseits stiegen 2002 trotz BSE zum Beispiel die Preise für Rindfleisch an der Ladentheke, wovon die Erzeuger aufgrund fehlgeleiteter Agrar- und Ernährungspolitik kaum profitierten (siehe dazu auch Kapitel »Die Strategien der Giganten in der Lebensmittelbranche«). Andererseits sorgten die Regierungen und die EU für umfangreiche Ausgleichszahlungen.
Beispiel Baden-Württemberg: 26
»1. Finanzierung von BSE-Tests. Im Rahmen der Maßnahme werden die Kosten der BSE-Tests vom Staat übernommen […].
2. Ausgleich für Schlachtbetriebe, wenn ein Tier positiv auf BSE getestet wurde. […].
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