Die Joghurt-Luege
Schlachtbetriebe, die derartige Tiere angekauft haben, erhalten einen Ausgleich in Höhe des tatsächlichen Werts der Tiere […]. Die Beihilfeintensität beträgt 100 Prozent.
3. Ausgleich für landwirtschaftliche Betriebe, in denen ein BSE-Fall vorgekommen ist. […] Daher wird ein Ausgleich für den Wert der unschädlich beseitigten Tiere, den Einkommensausfall und die in der Zeit bis zur Wiederaufstockung zusätzlich anfallenden Kosten gewährt […]. Die Beihilfeintensität beträgt 100 Prozent.«
Rindermäster, deren gesamter Bestand nach einem positiven BSE-Befund gekeult worden war, konnten dank der Mittel aus dem Tierseuchenfonds eine neue Zucht aufbauen. Und die EU kaufte Rindfleisch in Massen auf, um die Wettbewerbsfähigkeit europäischer Landwirte nicht zu gefährden. Allein zwischen Dezember 2000 und November |210| 2001 übernahm die EU 277 603 Tonnen Jungbullen- und Ochsenfleisch und zwischen April und November 2001 125 423 Tonnen Schlachtfleisch von Rindern über 30 Monaten. Noch zum Jahresende 2002 betrug der Rindfleischberg der EU 169 624 Tonnen.
In der Zwischenzeit hat sich der Weltrindfleischmarkt erholt. Im Wirtschaftsjahr 2004/05 wurden EU-weit rund 292 000 Tonnen Rindfleisch in Drittländer exportiert; Hauptabnehmer war die Russische Föderation. Im EU-Vergleich stehen in Deutschland nach Frankreich (und noch vor Großbritannien) die meisten Rinder, erzeugt Deutschland nach Frankreich und vor Italien mit rund 1,3 Millionen Tonnen Schlachtgewicht das meiste Rindfleisch.
Fast vergessen sind 27-jährige von Demenz und Krampfanfällen gequälte Todeskandidaten, fast vergessen ist auch die Warnung, BSE vorschnell zu den Akten zu legen. Weil sich die apokalyptischen Prophezeiungen Zehntausender von vCJD-Fällen 27 bis heute nicht bewahrheitet haben, rütteln Industrie, einige Wissenschaftler, Lobbyisten und Politiker heftig an den Vorsorgemaßnahmen von Staat und EU – und das, obwohl die Fälle an BSE-erkrankten Rindern tatsächlich zurückzugehen scheinen, seitdem die strengen Vorschriften von obligatorischen Tests über ein generelles Tiermehlverbot bis hin zur Beseitigung von Risikomaterial greifen. Otto Christian Straub, Präsident der Landestierärztekammer Baden-Württemberg, Träger des Bundesverdienstkreuzes Erster Klasse von 2002 und Lehrbeauftragter an der Universität Hohenheim, veröffentlichte in der Tierärztlichen Umschau 60/2005 einen streitbaren Text, der nicht nur die derzeitige BSE-Politik, sondern auch führende deutsche Forschungseinrichtungen aufs Schärfste kritisiert und der stellvertretend für die mit immer mehr Nachdruck wiederholte Forderung steht, die Zügel in puncto BSE zu lockern. In der Zusammenfassung heißt es: 28
»Erzeuger tierischer Produkte, verarbeitende und Futtermittelindustrie, Schlachtbetriebe und Tierärzte leiden unter dem Zwang von Maßnahmen, für die keine Rechtfertigung mehr besteht. Die Verluste durch unverständliche Maßnahmen und Verordnungen, die wissenschaftlich nicht vertretbar sind, haben unvorstellbare Größen mit bisherigen Kosten von 92 Milliarden Euro erreicht.«
|211| Straub fährt daher mit folgenden Forderungen fort:
»Die Vernichtung von wertvollen aus tierischem Rohmaterial gewonnenen Rohstoffen […] und die Nebenproduktverordnung mit drei Kategorien sollte unverzüglich gestoppt und das Untersuchungsalter für Schlachtrinder auf wenigstens 42 Monate angehoben werden. Von der Verwertung als Lebensmittel sind vorläufig nach positivem BSE-Prionenbefund nur noch Gehirn, Rückenmark und Augen auszuschließen, denn auch bei noch zu erwarteten positiven Nachweisen ist der Erreger längst nicht mehr am Aufnahmeort, dem Illeum. Das Fütterungsverbot für Tiermehl und von tierischen Fetten ist aufzuheben […] Köpfe und Milzen von Schafen und Ziegen dürfen von gesund geschlachteten Tieren nicht gemaßregelt werden. […]«
Und weiter:
»Frei werdende finanzielle Mittel können insbesondere für die Salmonellen-, Bovine-Virusdiarrhoe- und Paratuberkulosebekämpfung eingesetzt werden.«
Zu Zeiten immer dürftigerer öffentlicher Mittel ist ein unerbittlicher Verteilungskampf unter den Wissenschaftlern entbrannt: Wenn Geld einer Stelle zugute kommt, fehlt es an einer anderen. Im Gegensatz zu BSE, das durch eine widernatürliche Fütterung verursacht wird und für den Menschen eine tödliche Bedrohung darstellt, sind Paratuberkulose, eine bakterielle Erkrankung, und Bovine Virusdiarrhoe, ein virusbedingter Durchfall, weder auf
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