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Die Joghurt-Luege

Titel: Die Joghurt-Luege Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Vlad D. Georgescu , Marita Vollborn
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für die menschliche Gesundheit ausgegangen sei. Sie lehnten den Antrag einiger Parlamentarier ab, weitere Untersuchungen folgen zu lassen.
    Wie stark der Einfluss der Industrie auf politische Entscheidungen ist, lässt sich weniger an den Versprechungen und Beteuerungen messen als an deren praktischer Umsetzung und der Halbwertzeit von Vorsorgemaßnahmen. Obwohl bekannt ist, dass sich die pathogenen Prionen zu 95 Prozent auf Gehirn und Rückenmark des Rindes konzentrieren, wird die EU in den kommenden Monaten wieder Rindfleisch am Knochen, das so genannte T-Bone-Steak oder die italienische Bistecca fiorentina zulassen (Stand: Januar 2006). Sie schlägt vor, das Alter, von dem an bei Schlachttieren das Entfernen der Wirbelsäule vorgeschrieben ist, von 12 auf 24 Monate anzuheben, beruft sich dabei auf die Erfolge der BSE-Bekämpfung und beteuert |214| das »weiterhin hohe Verbraucherschutzniveau« 31 . So manchen Grillfreund freut die Entscheidung, 32 kann er doch jetzt wieder ganz offiziell im Supermarkt kaufen, was er zuvor trotz Verbots beim Metzger oder Bauern um die Ecke erstehen konnte oder sich sogar aus Frankreich besorgte.
    T-Bone-Steaks entstehen durch eine spezielle Zerlegung des Rindes, wobei ein Stück des Wirbelkörpers inklusive Rückenmark mit dem Fleisch verbunden bleibt. Seit Oktober 2000 stand die Wirbelsäule in der Liste der Risikomaterialien, von denen nach bisherigem Wissen die größte Gefahr einer Übertragung von BSE ausgeht. Im April 2005 veröffentlichte die Europäische Behörde für Lebensmittelsicherheit schließlich eine Stellungnahme, in der sie die Anhebung der Altersgrenze für die Entfernung der Wirbelsäule auf 30 Monate befürwortete. Offensichtlich hält sie sich an die Ergebnisse der BSE-Schnelltests: BSE wurde bei älteren Tieren festgestellt, nicht bei jüngeren. Wie weiter oben beschrieben, sind die derzeitigen Tests aber gar nicht in der Lage, Prionen während der Inkubationszeit nachzuweisen, sondern frühestens sechs Monate vor Ausbruch der Krankheit. Es liegen also keine gesicherten wissenschaftlichen Erkenntnisse vor, ab welchem Zeitpunkt innerhalb der durchschnittlichen Inkubationszeit von fünf Jahren infizierte Tiere garantiert erkannt werden können. Proben mit negativem Testergebnis können demzufolge nicht dafür bürgen, dass die Tiere wirklich frei von BSE sind, weil die Menge der Erreger unter der Nachweisgrenze der Tests liegen kann. 60 Prozent der in Deutschland geschlachteten Rinder sind jünger als drei Jahre und fallen damit durchs Raster. Bis das Europäische Parlament über die Altersgrenze beim Rind als Lieferant für das T-Bone-Steak entscheidet, hat die Kommission 24 Monate als praxisgerechte Altersgrenze vorgeschlagen, um den Verbraucher in Sicherheit zu wiegen. Sollte sie einen rückläufigen BSE-Trend feststellen, will sie die Grenze noch einmal nach oben korrigieren. Beweggrund ist wieder einmal ein wirtschaftlicher: Die neue Altersgrenze wird sich positiv auf die Wettbewerbsfähigkeit der Landwirte und der Fleischindustrie auswirken, und sie wird die Menge des in der EU anfallenden Risikomaterials verringern, das ansonsten teuer entsorgt werden müsste.
|215| Über Schuld und Unschuld des Verbrauchers
    Wirtschaftsvertreter wie Lobbyisten suchen die Schuld für die BSE-Krise gern beim Verbraucher: Wenn dieser bereit wäre, für hochwertiges Fleisch tiefer in die Tasche zu greifen, würden die Erzeuger auch entsprechend produzieren, wollen sie glauben machen. Im Umkehrschluss heißt das nichts anderes, als dass der Verbraucher bekommt, was er verdient. Dabei ist die Macht des Käufers begrenzt. Natürlich kann er nur noch Bioware in seinen Korb legen, um sicherzugehen, dass er Qualität auf den Tisch bringt. Biologisch wirtschaftende Bauern arbeiten nach dem Kreislaufprinzip, konventionelle dagegen suchen den Massenertrag innerhalb kürzester Zeit. Doch der zur Schnäppchenhatz geschulte Kunde greift nach wie vor gerne zur Billigware, bei der er die Qualitätsunterschiede allerdings nicht abwägen kann. Seine Macht endet, wenn er an der Fleischtheke des Supermarkts in Erfahrung bringen will, woher das Stück Lende stammt und wie das Schwein großgezogen wurde, oder wenn er auf der Verpackung seiner Lieblingspizza Herkunft und Qualität der Salami zu ergründen sucht. Selbst die vielfältigen Gütesiegel konventioneller Landwirtschaft wie Prima-Rind, Regiostar oder QS geben kaum Anhaltspunkte (siehe Kapitel »Ausblick«). Eine bundesweite

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