Die Joghurt-Luege
artfremde Nahrung zurückzuführen noch auf den Konsumenten übertragbar, bedrohen wohl aber ganze Bestände und sind daher von enormer wirtschaftlicher Bedeutung. Salmonellen in Lebensmitteln sind zwar auch für den Esser gefährlich – im Gegensatz zu den extrem widerstandsfähigen Prionen können sie aber durch Küchenhygiene und ausreichendes Erhitzen unschädlich gemacht werden.
Langsamer, aber stetig will die Fleischmehlindustrie zum Ziel kommen. Grundsätzlich will auch sie die tierischen Proteine, die bis heute mit dem Tiermehl durch die Schlote von Heizkraftwerken rauchen, wieder im Futter wissen, meidet aber dreiste Forderungen und legt eher zurückhaltend einen »überwachbaren« Einsatz nahe. |212| Den Anfang soll Kategorie 3 machen, Tiermehl, das unter anderem aus Blut, Darmfett, den Geschlechtsorganen, der Speiseröhre oder der mit Fett behafteten Haut gewonnen wird. Auf EU-Ebene wird neuerdings auch vorgeschlagen, Fischmehl wieder zur Verfütterung an Rinder zuzulassen. In beiden Fällen könnte dann niemand mehr auseinander halten, welches Tiermehl wirklich in den Trögen landet. Außerdem besteht die Gefahr, dass auch Fische an einer TSE-Form erkranken. Entdeckt wurde das bislang nicht – vor allem, weil Fische mit Störungen im zentralen Nervensystem sehr schnell Raubfischen oder Artgenossen zum Opfer fallen. Einzelne verendete Tiere werden nicht untersucht, und klinisch auffällige Beobachtungen bei Einzeltieren sind bei der heutigen Massenhaltung de facto nicht möglich. Besonders schwer ist der Nachweis von TSE bei Knochenfischen, zu denen der Lachs ebenso gehört wie die meisten anderen in europäischen Zuchten genutzten Fischarten: Die Tiere könnten mehrere Kopien des Gens für Prionproteine besitzen. Diese unterscheiden sich in einer Sequenz, die aber entscheidend ist für die Fähigkeit, sich in die infektiöse Form des Prions zu falten. Wissenschaftler der Ludwig-Maximilians-Universität München hatten in Zusammenarbeit mit Forschern des Robert-Koch-Instituts Berlin das Gen für ein Prionprotein beim Lachs entschlüsselt. 29
Immer wieder betonen die Verfechter der Theorie die Eignung von Tiermehl unter bestimmten Bedingungen als Futtermittel für Wiederkäuer, dessen Wert, die ökologischen Vorteile einer Verfütterung und die Verschwendung, die mit der bisherige Entsorgung verbunden wäre. Dass die EU dem Druck nachgibt, ist nur eine Frage der Zeit. Wahrscheinlich werden Schweine und Geflügel die ersten Nutztierarten sein, die wieder Tiermehl fressen.
Noch schwerer als bei Tiermehl ist der deutsche Stand beim nationalen Verbot von Tierfett. Die Lobby wirft der Bundespolitik eine Benachteiligung der deutschen Futtermittelwirtschaft vor, denn außer in Deutschland darf tierisches Fett zum Beispiel Milchaustauschern überall in Europa legal beigemischt werden – trotz des festgestellten hohen BSE-Risikos. Noch bleibt die Regierung hart. Die Haltung der Futtermittelindustrie ist indes nur allzu durchsichtig. Statt sich auf EU-Ebene für ein allgemeines Verbot |213| tierischer Fette und für ein Handelsverbot für unvergällte Tiermehle als angeblichen Dünger einzusetzen, um internationale Wettbewerbsverzerrungen zu vermeiden, kämpft sie um eine Aufhebung der Vorsorgemaßnahmen. Ihr Ziel ist klar: Das lukrative Geschäft mit Verarbeitungsresten und Kadavern lockt zu stark, ein Verbot hemmt Umsatzwachstum und Gewinn. Die schwelende Auseinandersetzung in Deutschland legt die Vermutung nahe, dass die Politiker hierzulande durch das BSE-Desaster um ihren Ruf beim Volk bangen und sich entsprechend unnachgiebig zeigen. Anders in den Niederlanden. Dort sahen sich im zeitigen Frühjahr 2005 Futtermittelindustrie und Viehwirtschaft schweren Vorwürfen ausgesetzt. Einem vertraulichen Untersuchungsbericht der Landespolizei und des Umweltministeriums zufolge werden gesundheitsgefährdende Abfallstoffe in großem Maßstab über den Futtertrog entsorgt. Die Verflechtung ist so eng und das Ausmaß so enorm, dass Grund besteht, um die Integrität von Politik und Verwaltung zu fürchten. Für die Regierung besonders unangenehm war der Umstand, dass die von staatlichen Stellen durchgeführte Analyse bereits seit eineinhalb Jahren in den Schubladen des Justizministeriums schlummerte. 30 Der Bericht wurde später im niederländischen Parlament diskutiert. Sowohl der Justiz- als auch der Agrarminister erklärten, dass die Angelegenheit völlig irrelevant und von Tierfutter zu keiner Zeit irgendeine Gefahr
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