Die Joghurt-Luege
zu Genmais von 2001 nicht umgesetzt habe, sei alles legal, so der Figaro . Lebensmittelexperten der EU dürfte die Lektüre gründlich den Magen verdorben haben, denn das Ausmaß des Anbaus von Genmais zu kommerziellen Zwecken war bis zu diesem Bericht nicht bekannt. Hinzu kommt eine weitere Finesse. Weil der betreffende Genmais in Spanien zugelassen ist, wird sein Einsatz nach EU-Recht automatisch ein halbes Jahr später für alle EU-Staaten legal. Spanien ist bisher mit 80 000 Hektar das einzige Land Europas, das Genmais in großem Stil anbaut. In den USA sind es 47,6 Millionen Hektar, in Argentinien 16,2 Millionen und in China 3,7 Millionen Hektar.
Gentechnik ist aus dem »Lebensweg« eines Nahrungsmittels vom Rohstoff auf den Teller nicht mehr wegzudenken – ohne dass sie der Verbraucher erkennen kann. »Gentechnisch erzeugte oder veränderte Enzyme, Aromen, Extraktionsmittel und Zusatzstoffe sind grundsätzlich von Bestimmungen der Verordnung ausgenommen und können frei und ungekennzeichnet vermarktet werden«, schreibt die Europaabgeordnete Hiltrud Breyer (Grüne) in »Novel-Food-Verordnung – Schlupfloch für Gentech-Lebensmittel« 62 . Zwar gibt es seit dem 18. April 2004 eine EU-weit geltende Verordnung 63 , die die Kennzeichnung aller gentechnisch veränderter Lebensmittel und Futtermittel vorsieht. Das Regelwerk löst die im Jahr 1997 verabschiedete Novel-Food-Verordnung ab – und ist zumindest bei der Kennzeichnungspflicht eindeutig.
Die Verordnung 1829/2003 gilt für Lebensmittel, Zutaten, Zusatzstoffe und Aromen – wenn sie gentechnisch veränderte Organismen (GVO) enthalten. Ein Joghurt mit gentechnisch veränderten Milchsäurebakterien ist also kennzeichnungspflichtig. Auch wenn |243| die Produkte aus gentechnisch veränderten Organismen stammen oder daraus hergestellt sind, darf die Kennzeichnung nicht fehlen. Produkte wie Maisstärke, Sojaöl, Sojalecithin oder Zucker sind nach dieser Regelung zu erkennen, sobald Gentech-Pflanzen die Grundlage lieferten. Deklariert werden muss auch, wenn die Lebensmittel mit gentechnisch veränderten Mikroorganismen hergestellt wurden – und diese Organismen noch vorhanden sind. Würze aus Gentech-Hefe ist hierfür das klassische Beispiel. Doch die als Sieg für den Verbraucherschutz gefeierte Regelung birgt bei näherem Betrachten erhebliche Schwachstellen. Denn die rigide Kennzeichnungspflicht klammert Lebensmittel wie Fleisch, Milch oder Eier von Tieren, die gentechnisch veränderte Futtermitteln erhalten haben, aus, ebenso wie daraus verarbeitete Nahrungsgüter, beispielsweise Wurst. Ausgerechnet die Lebensmittel Zeitung , immerhin wichtigstes Medium der Branche, klärte ihre Leser im LZ-Net auf: »Tierische Lebensmittel sind von der Verordnung zur Kennzeichnung von GVOveränderten Produkten ausgenommen. Ob Schweine, Rinder und Hühner, die Fleisch und Eier für die Lebensmittelindustrie liefern, mit GVO-Soja bis zur Schlachtreife gemästet wurden, erfährt der Verbraucher nach dem Willen der EU-Verordnung nicht. Gerade bei Tierfutter blieben aber viele Hersteller, die tierische Rohstoffe wie Eier oder Milch verarbeiten, gegenüber Greenpeace eine Verzichtserklärung schuldig.« 64 Die Umweltschutzorganisation hatte zuvor durch anhaltenden Druck in der Öffentlichkeit mit großem Erfolg die großen Lebensmittelhandelsketten dazu gebracht, auf Genfood zu verzichten – mehr oder minder freiwillig. Allerdings entpuppt sich die Aktion auf beiden Seiten nur als Zeichen guten Willens, der wenig am Vorstoß der Gentech-Nahrung ändert. Wer wirklich gentechnikfrei essen möchte, dem fällt die Auswahl zunehmend schwerer.
Gentech ist nahezu überall
Längst hat die Gentechnik Einzug in die Lebensmittelverarbeitung gehalten: Rohstoffe, Zusatzstoffe, Aromen oder Verarbeitungshilfsstoffe |244| aus gentechnisch veränderten Nutzpflanzen wie Soja, Mais und Raps sind die Regel, nicht die Ausnahme.
Beispiele hierfür gibt es viele. Etwa das Chymosin, das wohl wichtigste Enzym zur Käseherstellung. Während die Substanz noch vor wenigen Generationen ausschließlich aus dem Kälberlab gewonnen wurde, dienen heute Bakterien und gentechnisch veränderte Hefezellen als Chymosinfabrik. Auch Amylasen, Stärke abbauende Enzyme, Proteasen, die Eiweiß abbauenden Biokatalysatoren, oder Lipasen, die als Fett spaltende Enzyme eine Rolle spielen, entstehen durch den Einsatz von gentechnisch veränderten Mikroorganismen (siehe Tabelle 25). Konsumenten, die ihrem Körper
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