Die Joghurt-Luege
vermeintlich besonders Gutes gönnen wollen und Produkte mit Vitaminzusätzen bevorzugen, nutzen – quasi durch die Hintertür und indirekt – die Gentechnik, denn mit deren Hilfe werden auch viele Vitamine hergestellt. Dazu gehören die Vitamine A (Beta-Carotin als Vorstufe) und C (Ascorbinsäure) ebenso wie Vitamin E (Alpha-Tocopherol).
Tabelle 25: Gentechnisch hergestellte Enzyme und ihre Anwendungsbereiche
Quelle: E. Banu: Biotechnologie und Gentechnik im Bereich Lebensmittel, 8/1997 65
Die Liste für unser tägliches Genfood ist lang. Soja mit verändertem Erbgut etwa kann in mehr als 20 000 Lebensmitteln auftauchen. Nicht nur Sojaeiweiß, Sojamehl, Sojaschrot oder Sojaflocken können, wie die Bezeichnungen nahe legen, transgene Soja enthalten, sondern auch pflanzliche Öle, Lecithin, E 322, Mono- und Diglyceride. |245| Weil es sich dabei um Grundstoffe für weitere Lebensmittel handelt, gesellen sich, dem bekannten Schneeballeffekt gleich, immer mehr Nahrungsmittel hinzu: Margarinen, Salatdressings, Soßen, Suppen, Fertiggerichte, Fleischersatzprodukte, Chips und Knabberartikel, Toastbrot, Brot, Kekse, Backmischungen, Schokolade und Süßwaren, Milchmischgetränke, Diät- und Sportlerprodukte.
Stärkeprodukte können gentechnisch veränderten Mais enthalten; damit gehören auch Pudding-, Suppen-, Soßenpulver und backfertige Mehle, aber auch Cornflakes, Tacos, Tortilla-Chips oder Erdnussflips zur großen Familie der Gentech-Nahrung. Die Zutatenliste allerdings hüllt sich über solche Zusammenhänge in Schweigen. Letztlich dient Mais auch noch als Grundlage für die Herstellung von Süßungsmitteln, wo er Brotaufstrichen und Getränken Lieblichkeit verleiht. Selbst da, wo einzelne Zuckerarten deklariert werden, kann genveränderter Mais als Rohstoff ein Glied in der Produktionskette bilden: Traubenzucker, Glucosesirup, Dextrose oder Maltisirup (ein Zuckeraustauschstoff) beispielsweise. Schließlich dient Mais auch der Herstellung von Zusatzstoffen, wie etwa Ascorbinsäure, Zitronensäure, Glutaminsäure oder Zuckercouleur.
Aus diesem Blickwinkel betrachtet erscheint die Etablierung von Genfood in einem ganz anderen Licht. Die Zeiten, in denen einzelne Früchte – etwa die Flavr-Savr-Tomate – einen Aufschrei in der Bevölkerung auslösten, sind lange vorbei. Es sind die Rohstoffe der Lebensmittelindustrie, die aus Gentech-Saatgut sprießen und es auf diesem Weg letztlich doch schaffen, die Regale, Küchen und schließlich Mägen zu erobern. Grund zu Panik oder Beifall besteht wohl trotzdem nicht. Nur wäre der Ehrlichkeit gedient, wenn Politiker den Mut hätten, das Thema auf den Tisch zu bringen und allzu frechen Behauptungen der Industrie die Stirn zu bieten. Aufklärung täte dringend Not, um die verhärteten Fronten aufzubrechen und Wissen, nicht Orientierungslosigkeit zu forcieren. Das Schweigen der Branche schadet erfahrungsgemäß mehr als es nutzt – ein Vertrauensverlust reißt tiefe Wunden, die schlecht verheilen. Weite Teile der Erbsubstanz von Mensch, Tier und Pflanze sind noch wissenschaftliche Terra incognita, zu wenige Fragen über Langzeitfolgen und komplexe Abläufe auf molekularer Ebene sind beantwortet. Der propagierte |246| enorme Nutzen für den Verbraucher will sich nicht so recht zeigen. Bis jetzt profitieren vor allem die Unternehmen vom heimlichen Boom der Genspeisen.
Rosige Aussichten: Das globale Gentech-Geschäft mit unserer Nahrung
Betrachtet man die Zahlen, erscheint der Markt für gentechnisch veränderte Pflanzen eher marginal. Die internationale Studie »Global status of transgenic crops« 66 schätzte im Jahr 1997 den Gesamtumsatz von gentechnisch veränderten Nutzpflanzen im Vergleich zu den Pharmaprodukten, die mittels Biotechnologie hergestellt werden, als relativ bescheiden ein. Dem Papier zufolge betrugen die Einnahmen bei gentechnisch veränderten Pflanzen 1996 rund 436 Millionen Euro. Biotechnologisch hergestellte Medikamente hingegen machten im gleichen Beobachtungszeitraum 6,9 Milliarden Euro aus. Auch der Vergleich zum gesamten Saatgutmarkt (20,3 Milliarden Euro) legte den Schluss nahe: Mit Gentech-Mais & Co. lässt sich nur wenig verdienen.
Doch der Schein trügt. Denn die prognostizierten Wachstumsraten lassen selbst die selbstbewusste Pharmabranche vor Neid erblassen. Demnach wird der Markt für transgene Pflanzen bis 2010 von 0,44 auf über 16,7 Milliarden Euro angestiegen sein – ein Sprung auf schwindelerregende 3 795 Prozent in nur 14 Jahren.
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