Die Joghurt-Luege
sollten.
|240| Genfood auf dem Vormarsch
Ungeachtet aller Unklarheiten und offenen Fragen gelangen indes gentechnisch veränderte Nahrungsmittel legal, illegal, gekennzeichnet oder einfach nur versehentlich auf den Markt. Der Einzug von Genfood vollzieht sich langsam, aber stetig – kaum ein Produkt, das davon ausgenommen ist.
Im Sommer 2005 kam es zum Eklat um einen Babybrei. Das Thüringer Landesamt für Lebensmittelsicherheit und Verbraucherschutz hatte in zwei Proben Humana-Milchbrei »deutlich erhöhte Grenzwerte von Gen-Soja« 59 festgestellt. Das thüringische Gesundheitsministerium in Erfurt zögerte aufgrund der Brisanz und in Anbetracht dessen, dass es sich bei den Betroffenen um Kleinkinder handelte, nicht, die Verbraucher zu informieren. Dem Ministerium zufolge waren die Untersuchungen wissenschaftlich korrekt mit den üblichen Analysemethoden durchgeführt worden. Nahezu parallel zur Veröffentlichung des Ministeriums widersprach die im nordrhein-westfälischen Herford ansässige Humana den Vorwürfen. Das wiederum veranlasste das Thüringer Ministerium darauf hinzuweisen, dass der Hersteller offenbar gegen die Kennzeichnungspflicht verstoßen habe, schränkte jedoch ein, von einer akuten Gesundheitsgefahr sei nicht auszugehen. Humana konterte mit einem Dementi, verbreitet über den bundesweit tätigen Presseservice ots, zudem drohte das Unternehmen rechtliche Schritte gegen die beteiligten Ämter und Behörden des Freistaates Thüringen an.
Das vor allem medial geführte Scharmützel führt das Dilemma vor Augen: Glaubt man der Behörde, sickern Genschnipsel bis in den äußerst sensiblen Bereich der Lebensmittelproduktion, in die Kindernahrung – niemand wird dann ernsthaft behaupten können, dass die grüne Gentechnologie vor sich hindümpelt. Im Jahr 2004 überschritt die weltweite Anbaufläche mit transgenen Sorten die 70-Millionen-Hektar-Grenze. Die Fläche entspricht mehr als dem Sechsfachen der Ackerfläche Deutschlands. Nahezu zwei Drittel dieses Anbaus entfallen auf die USA, Argentinien bringt es auf 25 Prozent. Kanada und China gehören ebenfalls zu den absoluten Vorreitern im Anbau transgener Pflanzen. Australien erzeugt heute mehr als die Hälfte |241| seiner Baumwolle aus Gentech-Sorten, in den USA machen gentechnisch veränderte und herbizidtolerante Sojabohnen und insektenresistente Baumwollsorten mehr als drei Viertel der Anbauflächen aus. Zurückhaltenden Schätzungen zufolge sind mindestens 70 Prozent aller Lebensmittel bereits mit Gentechnik in Berührung gekommen (siehe Tabelle 24).
Lebensmittel
Berührung mit Gentechnik durch
Speiseöl, Margarine, Mayonnaise, Suppen, Fertiggerichte, Tiefkühlkost, Fleischersatz, Wurstwaren, Backwaren, Ersatzmilchprodukte, Kakao- und Milchgetränke, Sojasoße, Schokoladenüberzüge, Babynahrung
Gentechnisch veränderte Sojapflanzen und Folgeprodukte wie z. B. Sojaöl, Lecithin, Sojamehl, Sojaprotein
Speiseöl, Margarine, Backfette
Rapsöl aus gentechnisch verändertem Raps
Maisstärke, Maisgrieß, Maiskeimöl
gentechnisch veränderter Mais
Fruchtsäfte, Erfrischungsgetränke, Marmeladen, Importbiere, Liköre, Whisky, Süßwaren, Brüh- und Rohwurst, Babynahrung, Speiseeis, Ketchup
Zucker aus Maisstärke, der mithilfe von Enzymen aus genetisch veränderten Organismen (GVO) gewonnen wird
Käse
Labersatz Chymosin aus GVO
Brot, Brötchen
mehlverbesserndes Enzym Xylanase aus GVO
Fertiggerichte
Geschmacksverstärker Glutamat aus GVO
Süßstoffe
gewonnen aus GVO
Tabelle 24: Lebensmittel, die bei ihrer Herstellung (auch indirekt) mit Gentechnik in Berührung gekommen sind
Quelle: nach DLG-Mitteilungen 4/1997 60
Genehmigung hin oder her – nicht wenige Bauern scheren sich mittlerweile kaum noch um die Vorgaben der EU und bauen Gentech-Pflanzen an. Auf diese Weise gelangen die veränderten pflanzlichen Rohstoffe selbst dann in unsere Nahrung, wenn nicht einmal die Politik das will.
|242| Französische Landwirte etwa weiteten im Jahr 2005 den Anbau von gentechnisch verändertem Mais »heimlich von 17,5 Hektar auf mehr als 1 000 Hektar« aus, wie die Deutsche Presse-Agentur (dpa) die französische Zeitung Le Figaro zitierte. 61 Vor allem Landwirte im Südwesten des Landes hätten genverändertes Saatgut aus Spanien importiert und ausgesät. Die Ernten sollten als Futtermais nach Spanien zurückfließen, hieß es weiter. Geradezu abstrus die Erklärung für das Verhalten der Landwirte: Weil Frankreich trotz Ermahnungen aus Brüssel die EU-Richtlinien
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