Die Joghurt-Luege
rund 250 Wirkstoffe in 1 900 Präparaten zugelassen; europaweit sind es etwa 800 Wirkstoffe in 20 000 Präparaten. Schon aufgrund dieser enormen Menge kommen Pestizide mittlerweile ubiquitär vor. Die wichtigsten Gruppen an Pestiziden sind mit rund 60 Prozent die gegen andere Pflanzen gerichteten Herbizide, mit 25 Prozent die gegen Pilze eingesetzten Fungizide sowie die gegen Insekten verwendeten Insektizide. Je nach Wirkstoff kann die Anwendungsmenge zwischen einigen Gramm bis mehreren Kilogramm pro Hektar liegen. Durch die Verbesserung der Präparate hat sich diese Menge Anfang der 1990er Jahre zwar verringert. Dennoch ist der Verbrauch an Pflanzenschutzmitteln beispielsweise von 1990 bis zum Jahr 2000 um über 2 800 Tonnen gestiegen.
Tabelle 27: Verbrauch an Pflanzenschutzmitteln in Deutschland
Quelle: Statistisches Jahrbuch über Ernährung, Landwirtschaft und Forsten, StatistischesBundesamt, Wiesbaden, BMELV, Ref. 519
|252| Weil Pestizide helfen, billige Lebensmittel zu produzieren, bremsen sie auch die Inflation, denn Konsumausgaben und Tarifabschlüsse bleiben niedrig. Doch der Preis dafür ist hoch: Letztlich zahlt der Verbraucher durch die Hintertür die Mehrausgaben beispielsweise für die Wasseraufbereitung. Neben Nitrat, das durch Überdüngung ins Wasser gelangt, bedrohen Pestizide die Wasserqualität und sind teils in Mengen zu finden, die über den Grenzwerten liegen. Für die Veröffentlichung |253| der Grundwasserüberwachung ist das Umweltbundesamt (UBA) zuständig. Es stützt sich dabei auf Daten der Länderarbeitsgemeinschaft Wasser (LAWA), die wiederum ihre Informationen von den staatlichen Untersuchungsanstalten der Bundesländer und der Wasserversorger erhält. Trinkwasser wird zu 74 Prozent aus Grundwasser gewonnen. Für Trinkwasser gelten gesetzlich festgelegte Grenzwerte: Für die Einzelsubstanz liegen sie bei 0,1 Mikrogramm je Liter, für die Summe aller Pestizidrückstände bei 0,5 Mikrogramm je Liter. Laut Grundwasserbericht der Bundesländer sind rund 30 Prozent des Grundwassers in Deutschland mit Pestiziden oder ihren Abbauprodukten verunreinigt. Dass sich an dieser Zahl im Laufe der Jahre kaum etwas ändert (siehe Abbildung 3), hat einen Grund: Pestizide sind im Grundwasser lange Zeit nicht abbaubar. Viele der dort nachgewiesenen Pestizide sind gar nicht mehr zugelassen. Von den Pestiziden gehen Gefahren für die Gesundheit aus – sowohl in der Produktion als auch in der Anwendung in der Landwirtschaft und in Form von Rückständen in Lebensmitteln –, sodass ihr Nutzen auch im ökonomischen Sinn infrage gestellt werden kann: Pestizide sind nicht nur unvollständig aus dem Grundwasser entfernbar, die Aufbereitung kostet die Steuerzahler pro Kubikmeter Trinkwasser rund 75 Cent – also 150 Millionen Euro pro Jahr. Trinkwasser ist durch keinen anderen Stoff ersetzbar. In der Lebensmittelproduktion wird es nicht nur zur Herstellung und Verarbeitung von Nahrungsgütern, sondern auch zur Reinigung der dazu benötigten Gegenstände verwendet.
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Quelle: Pestizid-Aktions-Netzwerk e.V. (PAN Germany) 75
|253| Friedliches Oligopol der Produzenten
Der Markt für Pflanzenschutzmittel ist schwer zu durchschauen. Einerseits konzentriert sich das Gros an Einfluss und Innovation in den Händen einer relativ geringen Zahl international agierender Giganten wie Bayer Crop Science, Syngenta, BASF oder Dow Agro Sc. (siehe Tabelle 28) Andererseits gehen die etablierten Konzerne davon aus, dass keiner der derzeitigen Wettbewerber mit vertretbarem Aufwand vom Markt verdrängt werden kann. Sie schaffen es, neuen Konkurrenten den Zutritt zu verweigern, indem sie zum |254| Beispiel strategische Allianzen schmieden, miteinander kooperieren oder, ein Trend der vergangenen Jahre, mit Firmen der Saatgutbranche oder der Biotechnologie zusammenarbeiten – die Verflechtungen jedenfalls sind vielfältig. Für Newcomer sind solche Marktbarrieren kaum überwindbar.
Tabelle 28: Marktanteile führender Pflanzenschutzunternehmen
Quelle: Industrieverband Agrar
Einem Bericht der Industrievereinigung Agrar (IVA) zufolge ist der Weltpflanzenschutzmarkt im Jahr 2004 erstmals wieder signifikant gewachsen, was vor allem den Zuwächsen in Lateinamerika und Europa zu verdanken ist, und zwar auf 32,2 Milliarden Euro. Das sind stolze 13 Prozent mehr als 2003. Europa hat auf dem Weltpflanzenschutzmarkt eine besondere Stellung inne: Mit 6,6 Milliarden Euro ist es die umsatzstärkste Kraft. In Deutschland selbst wurden
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