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Die Joghurt-Luege

Titel: Die Joghurt-Luege Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Vlad D. Georgescu , Marita Vollborn
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2004 rund 85 000 Tonnen Pflanzenschutzmittelwirkstoffe größtenteils für den Export hergestellt. Gleichzeitig importiert Deutschland Wirkstoffe ausländischer Produktionsstandorte. Der Nettoinlandsumsatz, der das Geschäft zwischen Herstellern und Großhändlern beschreibt, lag für die 37 Mitglieder des Industrieverbandes Agrar im gleichen Jahr bei 1,068 Milliarden Euro.
|255| Die lauernde Gefahr
    Die Warnung aus Rom war unmissverständlich. Pestizidgiftmüll, so das Fazit der Ernährungs- und Landwirtschaftsorganisation der Vereinten Nationen (Food and Agriculture Organization, FAO), bedroht in Osteuropa, Afrika, Asien sowie im Mittleren Osten Mensch und Umwelt. Der FAO zufolge lagern in der Ukraine rund 19 500 Tonnen an ungenutzten, oft hochgiftigen Schädlingsbekämpfungsmitteln, in Mazedonien rund 10 000 Tonnen, in Polen 15 000 und in Moldawien etwa 6 600 Tonnen. Als nicht weniger alarmierend erweist sich der Blick nach Asien. Ermitteln konnte die FAO dort 6 000 Tonnen, geht aber davon aus, dass in China noch weitaus höhere Bestände zu finden wären – falls das Land seine Tore für die Fachleute öffnen würde. Auch im Mittleren Osten und in Lateinamerika, wo insgesamt etwa 10 000 Tonnen vor sich hin rotten, oder in Afrika, das mit weiteren rund 50 000 Tonnen aufwartet, ist die Lage ähnlich prekär. Weil die Beseitigung einer einzigen Tonne rund 3 500 Dollar kostet, wachsen die Berge an Pestizidmüll ständig statt zu schrumpfen. 76 Wo Pestizide in solchen Mengen lagern, bleiben auch Lebensmittel nicht unbelastet. Der globale Handel tut ein Übriges – vieles, was wir konsumieren, stammt aus solchen Gegenden.
    Das Pestizidproblem ist ebenso hausgemacht wie international. Europa macht da keine Ausnahme. So hat der europäische Binnenmarkt sicher das Angebot vervielfacht, allerdings kommen mit der Vielfalt auch die Tücken. Manche Rückstände in Lebensmitteln dürften nämlich laut deutschem Recht überhaupt nicht darin auftauchen. Würde nicht die Gesundheit des Verbrauchers auf dem Spiel stehen, wäre diese Wirtschaftsposse sicher einen Lacher wert. So aber löst sie nur Kopfschütteln und Bestürzung aus: Firmen dürfen zwar in Deutschland bestimmte Wirkstoffe produzieren, auch wenn sie hierzulande nicht als Pestizide zugelassen sind – wohl aber bei unseren Nachbarn. Daher wird exportiert, was nicht in deutschen Gewächshäusern und auf deutschen Äckern ausgebracht werden darf, landet dort auf den Kulturen und wird, appetitlich versteckt hinter roten Backen und in knackigen Blättern, wieder nach Deutschland zurückgeführt. Streng genommen verstoßen solche rückstandsbelasteten |256| Produkte gegen deutsches Recht. Weil Behörden aber keine unmittelbare Gesundheitsgefährdung feststellen können und die im Herkunftsland erlaubte Höchstmenge eingehalten wurde, wird das Produkt nicht vom Markt genommen. Der Grund ist ein rein wirtschaftlicher: Europäische Landwirte würden sonst gegenüber den deutschen benachteiligt, lautet die offizielle Begründung für dieses Wegschauen. In der Amtssprache heißt das »gegenseitige Anerkennung«. Das Procedere ist üblich – und vom Gesetz ausdrücklich gedeckt. Daher kann beispielsweise ein Spanier, der sein Gemüse mit einem in Deutschland hergestellten, aber für die Anwendung im eigenen Land nicht zugelassenen Pflanzenschutzmittel spritzt, beim Bundesamt für Verbraucherschutz und Lebensmittelsicherheit (BVL) eine Ausnahmegenehmigung beantragen. Entdeckt das Bundesinstitut für Risikobewertung (BfR) keine Gesundheitsgefährdung, erlaubt das BVL die Einfuhr nach spanischem Reglement. Auf diese Weise zwingen andere Länder Deutschland ihre Rückstandsmengen auf – und diese sind meist höher als die deutschen.
    Seit Jahren ringt die EU um eine einheitliche Regelung. Die Festlegung EU-weit einheitlicher – und verbindlicher – Rückstandshöchstmengen könnte künftig einen Rahmen bilden, an dem sich sowohl Anwender als auch Überwachungsinstitutionen orientieren könnten. Im Januar 2005 hatte der Rat der Europäischen Gemeinschaft die Europäische Verordnung zur endgültigen Harmonisierung verabschiedet und im März im Europäischen Amtsblatt verkündet. Demnach sollen sämtliche Höchstmengen nach einem einheitlichen Verfahren festgelegt werden, nachdem sie auf gesundheitliche Unbedenklichkeit überprüft wurden. Transparenz und für alle EU-Staaten gleichermaßen geltende und, was das Wichtigste ist, EU-weit einheitliche Rückstandshöchstmengen sind

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