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Die Judas-Papiere

Die Judas-Papiere

Titel: Die Judas-Papiere Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Rainer M. Schroeder
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Kälte nach ihnen in der Kutsche.
    Die nächsten Stunden wurden ihnen lang, zumal die Strecke im mer gefährlicher wurde und das Vierergespann so manch enge und steile Windung erklimmen musste.
    Doch dann hatten sie die verabredete Stelle erreicht. Die Gabelung der Straße lag in einem kleinen Talkessel. Der Kutscher brachte sein tonnenartiges Gefährt zum Stehen, sprang vom Bock und riss die Tür auf.
    »Wir sind pünktlich an der vereinbarten Stelle, mein Herr!«, teilte er dem Anwalt mit merkwürdiger Hast mit. »Doch von dem Wagen, den der Graf schicken wollte, ist weit und breit nichts zu sehen. Deshalb schlage ich vor, dass Sie und Ihre Begleiter die Fahrt mit uns fortset zen und in den nächsten Tagen wieder nach Piteschti zurückkehren.«
    »Nein, das werden wir nicht, Postillon!«, erwiderte Matthew Gol ding erstaunlich energisch. »Der Wagen wird kommen, dessen bin ich mir sicher!«
    Im selben Moment erfasste die Braunen im Gespann hörbare Unru he, sie begannen, nervös zu schnauben und aufzusteigen. Und bevor jemand noch etwas sagen konnte, tauchte wie aus dem Nichts eine Kalesche mit vier kohlschwarzen Pferden aus der Dunkelheit auf und hielt schneestiebend auf ihrer Höhe. Augenblicklich bekreuzigten sich die drei Einheimischen und die Bauersfrau zog einen Rosen kranz hervor und begann, zitternd zu beten.
    Auf dem Kutschbock der Kalesche saß ein hochgewachsener Mann, der einen weiten, faltenreichen Umhang aus nachtschwarzer Wolle und auf dem Kopf einen fast wagenradgroßen Hut mit weit herabfal lender Krempe trug, die sein Gesicht verbarg.
    »Du bist früh dran, mein Freund!«, rief der ganz in Schwarz Geklei dete dem Postillon zu.
    »Der englische Herr und seine Begleiter hatten große Eile, Herr«, stammelte der Postkutscher verlegen.
    »Sicher wolltest du gleich weiterfahren und sie mit nach Her mannstadt nehmen!«, sagte ihm der Schwarzgekleidete auf den Kopf zu. »Sag nichts, ich kenne dich! Mich täuschst du nicht. Und der Herr Anwalt aus England ist also in Begleitung? Nun denn, der Graf führt ein gastfreundliches Haus, das jeden Besucher willkommen heißt.
    Und ich habe ausreichend Decken dabei, dass keiner fürchten muss, auf der Fahrt übermäßig zu frieren. Also gib mir ihr Gepäck, Bursche! Und beeil dich, wenn du es nicht mit mir verderben willst!«
    Wenig später saßen sie zu fünft und in kratzige, aber dicke Decken gewickelt in der offenen Kalesche, die auf Schneekufen ruhte, und sogleich jagten die vier pechschwarzen Rosse mit ihnen davon. Als Byron sich noch einmal umdrehte, erhaschte er einen letzten Blick auf den Postillon, der ihnen nachschaute und dabei dreimal das Kreuz schlug. Für einen kurzen Moment beschlich ihn das unheimli che Gefühl, dass vielleicht doch mehr als nur finsterer Aberglaube hinter all den ängstlichen Beschwörungen steckte.
    In wilder, geradezu halsbrecherischer Fahrt ging es durch die Nacht. Durch Wälder, wo die Äste der Bäume von rechts und links der Straße weit überhingen und eine Art Tunnel bildeten, durch Schluchten, die sich wie erstarrte Schlangen durch den Fels wanden, und über schneebedeckte Bergkuppen.
    Auf einmal drang Geheul durch die Nacht und es wurde schnell lau ter. Es hatte Ähnlichkeit mit dem Jaulen von Hunden und klang doch anders, nämlich nach beutegierigen Jägern der Nacht.
    »Hört ihr das?«, raunte Alistair beklommen.
    »Wölfe!«, sagte Horatio sofort. »Und zwar ein ganzes Rudel, wie mir scheint.«
    Die Kalesche schoss indessen durch einen schmalen Einschnitt, der durch einen tiefen Wald führte, und Augenblicke später hinaus auf eine weite, mondbeschienene Lichtung – und da standen sie, sieben grauschwarze Wölfe mit zotteligem Fell in einem Halbkreis, die Köp fe mit gefletschtem Gebiss und heraushängender Zunge, als hätten sie gewusst, dass die Kalesche zu dieser Stunde, ja zu dieser Minute an diesem einsamen Ort auftauchen würde. Kaum hatten sie das Ge fährt erspäht, als sie auch schon mit fliegenden Sätzen heranjagten.
    »Heilige Muttergottes, stehe uns bei!«, entfuhr es Harriet erschrocken.
    Und dann geschah etwas höchst Seltsames. Denn der Kutscher brachte die schwarzen Rosse so abrupt zum Stehen, dass der Schnee unter ihren Hufen in wahren Wolken hochwirbelte und über sie hin wegwehte, er erhob sich ohne Hast von seinem Sitz und ließ die Peit sche einmal scharf knallen.
    Das auf sie zustürzende Wolfsrudel stoppte fast so jäh in seinem Lauf wie die schwarzen Pferde. Hechelnd und dann mit einem fast

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