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Die Judas-Papiere

Die Judas-Papiere

Titel: Die Judas-Papiere Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Rainer M. Schroeder
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lebt jahrhundertelang, sofern es ihm nur gelingt, immer wieder neue Opfer zu finden, denen er das Blut aussaugen kann. Und wer des Öfteren von ihm heimgesucht worden ist, der wird wie er ein Vampir und Un-Toter!«
    Alistair lachte belustigt auf. »Das ist doch abergläubisches Zeug, was Sie da reden!«
    »Ist Ihnen nicht aufgefallen, dass Dracula mit uns weder einen Bis sen noch einen Schluck Wein teilt? Dass er sich uns nur nachts zeigt, dass es hier auf der Burg nirgends einen Spiegel und erst recht kein Kreuz gibt, obwohl das Land doch für seine tiefe Gläubigkeit be kannt ist?«, fragte der Anwalt. »Denn für all das und vieles mehr gibt es gute Gründe. Nämlich dass Vampire das Tageslicht nicht ertragen können und deshalb die Zeit zwischen Sonnenaufgang und Sonnen untergang in einem Grab verbringen, keinerlei Speisen und Geträn ke außer Blut zu sich nehmen, kein Abbild hinterlassen, wenn sie vor einem Spiegel stehen, und sich vor nichts so sehr fürchten wie vor Weihwasser sowie geweihten Kreuzen und Hostien. Auch Knoblauch finden sie unerträglich.«
    Alistair winkte ab. »Einiges davon ist mir bekannt, Mister Golding.
    Aber diese Gruselgeschichten sind doch hanebüchene Ammenmär chen, um kleine Kinder und einfaches Volk in Angst und Schrecken zu versetzen!«, sagte er beharrlich. »Kein irdisches Lebewesen kann so lange leben, wie Sie und diese Gruselautoren behaupten!«
    »Schildkröten schon«, gab Horatio zu bedenken. »Die können be kanntlich jahrhundertealt werden. Und manch kleines Getier soll da zu auch in der Lage sein.«
    »Zwischen Himmel und Erde gibt es mehr, als der begrenzte menschliche Verstand erfassen und ergründen kann, und das be schränkt sich wahrlich nicht allein auf die Frage nach Gott«, warf By ron leise ein. »Und wenn ich es vorhin nicht mit meinen eigenen Au gen gesehen hätte, so hätte auch ich es nicht für möglich gehalten. Doch ich habe nicht geträumt, sondern war hellwach, Alistair! Das beschwöre ich bei allem, was mir heilig ist!«
    Alistair zuckte dazu nur die Achseln.
    Harriet hüstelte. »Erzählen Sie uns bitte mehr darüber, wozu Vam pire in der Lage sind, Mister Golding.«
    Alistair rollte mit den Augen, als könnte er nicht glauben, dass nun auch Harriet diesen Unsinn für bare Münze zu nehmen schien, und schnippte dann kopfschüttelnd eine Zigarette aus seiner Packung. »Und für diesen Hokuspokus holt man uns aus dem warmen Bett!«, brummte er mürrisch.
    »Nun, die wenigen Experten, die sich ernstlich mit diesem Phäno men der Un-Toten beschäftigt haben, sind in manchen Details unter schiedlicher Meinung«, begann Matthew Golding.
    »Wundert mich nicht«, brummte Alistair sarkastisch. »Ich habe be stimmt auch andere Vorstellungen vom Mann im Mond und vom All tag einer Seejungfrau als Sie!«
    Der Anwalt ließ sich nicht aus der Ruhe bringen. »Einig sind sie sich jedoch darüber, dass die Vampire sich in andere Wesen verwandeln können, sofern sie ausreichend Blut zu trinken bekommen, etwa in einen Wolf oder eine Fledermaus«, fuhr er fort. »Wobei sie Letzterem im Allgemeinen den Vorzug geben, insbesondere in Städten. Sie sind auch in der Lage, an glatten und steilen Wänden hochzusteigen . . .«
    Byron sah, wie Harriet das Blut aus dem Gesicht wich.
    ». . . und durch winzige Spalten einzudringen, die sich beispiels weise im Mauerwerk oder an einem Fensterrahmen befinden, oder den Raum durch solch eine Ritze zu verlassen«, setzte der Anwalt sei ne Aufzählung fort. »Dagegen ist es ihnen verwehrt . . .«
    »Dann hatte ich also doch keine Halluzination!«, stieß Harriet her vor und fiel Matthew Golding damit ins Wort. »Dann war es doch kein großer Vogel, der da im ersten Morgengrauen die Mauer er klommen hat!«
    Die Aufmerksamkeit aller ruhte sogleich auf ihr.
    »Wovon redest du?«, fragte Alistair verständnislos und kam mit sei ner Frage dem Anwalt und Horatio zuvor.
    Harriet erzählte es ihnen.
    Matthew Golding nickte mit düsterer Miene. »Ja, das war Dracula! Er hat es wohl eilig gehabt, noch rechtzeitig vor dem ersten Licht des Tages hinunter in die Gruft und dort in seinen Sarg zu kommen.«
    Horatio sah Harriet mit vor Sprachlosigkeit offenem Mund an. Und auch Alistair hatte mittlerweile seinen halb gelangweilten, halb spöt tischen Ausdruck verloren. Denn Harriet kannten sie inzwischen gut genug, um zu wissen, dass sie keineswegs zu jenen Frauen gehörte, die träumerisch durchs Leben wandelten, von überreizter Natur wa ren und zum

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