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Die Judas-Papiere

Die Judas-Papiere

Titel: Die Judas-Papiere Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Rainer M. Schroeder
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getan, sondern damit Gott dadurch gepriesen wird.‹ Sie aber sprachen: ›Meister, du bist der Sohn unseres Gottes.‹ Jesus aber sprach zu ihnen: ›Wo her kennt ihr mich? Wahrlich, ich sage euch, kein Menschengeschlecht ist unter euch, das mich kennen wird.‹« Byron blickte von der Seite auf. »Dies ist eine der Stellen, die sich bis auf unbedeutende Abweichun gen mit Passagen in den Evangelien deckt. Ist das nicht aufregend?«
    »Na ja, aus den Stiefeln haut es mich nicht gerade, wenn ich ehrlich sein soll«, gab sie unumwunden zu. »Aber das hat ja nicht viel zu be deuten, denn was verstehe ich schon von Bibelkunde? So, und jetzt muss ich wieder los. Meine beiden Muskelmänner warten bestimmt schon, um mich zur Anprobe meines Kostüms zu begleiten.«
    Ungern ließ Byron sie ziehen. Am Nachmittag leistete er seinen Freunden wieder einmal bei einem Ausflug in die großen Basare Ge sellschaft. Die sogenannten bedestens waren massiv gebaute und weit verzweigte hallenförmige Basargebäude, die sich nachts abschließen ließen und bewacht wurden. Die einzelnen Läden und Werkstätten, in manchen der Hallen mehr als tausend an der Zahl, verfügten über ei serne Türen und Fensterläden sowie eingebaute feuersichere Tresore. In diesen überbauten Basaren wurden tausenderlei Waren feilgeboten und in den Gassen herrschte ein atemberaubend geschäftiges Treiben mit der entsprechenden Geräuschkulisse.
    Auf ihrem Rückweg zum Hotel war Alistair so müde vom vielen Laufen, dass er sich nicht auch noch den Hügel nach Pera hinaufquä len wollte.
    »Gönnen wir uns eine Ruhepause und nehmen wir die Pferde bahn!«, schlug er vor.
    Die anderen hatten nichts dagegen einzuwenden, brannten doch auch ihnen die Füße. Und so stiegen sie in den Wagen. Doch kaum sah Harriet, wie abgemagert und klapprig das Pferdegespann war, da reute es sie auch schon, sich darauf eingelassen zu haben. Zudem musste sie sich von Byron, Alistair und Horatio trennen und sich hin ten in den haremlik begeben, während der vordere und viel geräumi gere selamlik den Männern vorbehalten war.
    Vor der Pferdetram lief ein Mann mit Filzmütze. In der Hand hielt er ein Signalhorn aus Messing, in das er ununterbrochen blies. Auf diese Weise schuf er der Tram hinter sich einen Weg durch die Men schenmenge und warnte Passanten, damit niemand unter die Hufe oder Räder kam. Denn Bürgersteige gab es nicht. Und die Straßen waren eng, oftmals gewunden und mit groben Steinen gepflastert.
    Der Kutscher ließ seine lange Peitsche über dem Rücken der Tiere knallen. Aber auf den Steigungen brachten es die armen Pferde nur zwei, drei Schritte weit. Dann blieben sie wieder stehen und blickten sich scheinbar betrübt an. Derweil belagerten Trauben von Straßenverkäufern die Passagiere an den offenen Fenstern und priesen lauthals ihre Waren an.
    So ging es eine ganze Weile. Schließlich sprangen mehrere kräfti ge Männer, die Mitleid mit den Tieren hatten, aus der Tram und hal fen, den Wagen hügelan zu schieben. Auch Alistair, Horatio und By ron packten mit an.
    »So viel also zu Ruhepause und Pferdebahn!«, brummte Alistair ver drossen.
    Ins Pera Palace zurückgekehrt, wollte Byron zuerst die Entzifferung einer aramäischen Textstelle beenden und sich dann wieder der Su che nach dem nächsten Hinweis widmen.
    Auf einer Seite, die mal wieder von sich wiederholenden Buchsta benkolonnen in kleiner Schrift nur so wimmelte, hatte Mortimer mehrmals die Jahreszahl 1423 notiert und dazu eine Menge Bemer kungen über den französischen Regenten Graf von Bedford gekrit zelt, der in jenem Jahr Anne, die Schwester des Grafen Philip II. von Burgund, geheiratet und mit dieser politisch motivierten Eheschlie ßung die englisch-burgundische Verbindung gestärkt hatte.
    Plötzlich stutzte er, als er in dem aramäischen Text auf drei Wörter stieß, die überhaupt nicht in den Sinnzusammenhang passten und durch Gedankenstriche vom restlichen Text getrennt standen. Als er die drei Wörter entziffert hatte, lachte er plötzlich auf, wandte sich sofort den scheinbar sinnlosen Wiederholungen von Buchstabenko lonnen zu, die sich an die aramäischen Zeilen anschlossen, grübelte eine Weile, wie der Zahlen-Code zu knacken war, und fand schließ lich den Schlüssel.
    Wenig später rief er seine Freunde zusammen, um sie über die gute Nachricht zu unterrichten. »Das hier ist der vierte Code!«, teilte er ihnen mit und deutete auf die Buchstabenreihen, die von orthodo xen Kreuzen und

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