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Die Judas-Papiere

Die Judas-Papiere

Titel: Die Judas-Papiere Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Rainer M. Schroeder
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Innenhof. Dann muss sich das Katholi kon links von uns befinden!«
    Augenblicke später huschten sie wie Schatten an der Wand ent lang zum Gotteshaus hinüber. Trotz der Nachtschwärze konnten sie sehen, dass die verputzten Wände des Katholikons mit dunkelroter Farbe getüncht waren. Die Farbe sollte an das Blut Christi und der Märtyrer erinnern.
    Horatio öffnete einen Flügel der Kirchentür gerade weit genug, dass sie durch den Spalt in das dahinterliegende Atrium schlüpfen konnten, an welches sich ein großer, rechteckiger Raum anschloss.
    Harriet drehte nun den Docht der Lampe höher, doch Horatio ließ ihnen nicht viel Zeit, um die reichen Wand-und Deckenmalereien und die Fresken zu bewundern. Er zog sie am Arm mit sich durch den Naos, wo das Licht auf dunkles Chorgestühl fiel.
    »Hier ist sie, die Ikonostase!«, rief er mit gedämpfter Stimme, nahm ihr die Lampe ab, drehte die Flamme hoch und ließ das helle Licht über die vergoldete Holzwand gleiten, die nicht nur mit vielen Iko nen behängt, sondern auch reich mit Skulpturen geschmückt war. Sein Gesicht nahm einen Ausdruck der Verzückung an. »Mein Gott, was für eine Pracht! Und all diese kostbaren Ikonen! Seht doch da, rechts von der Vassiliki Pili, der Mitteltür, die man auch ›Königstür‹ nennt! Dort hängen die Ikone des Christus Pantokrator und die des heiligen Johannes des Täufers!«
    »Nun komm mal wieder auf den Boden zurück!«, kam es ungedul dig von Alistair. »Wir haben uns nicht an das verdammte Seil gehängt und sind hier eingestiegen, um uns von dir einen gelehrten Vortrag über Ikonenkunst anzuhören! Also sag uns, wo Mortimers Pana-wieauch-immer hängt!«
    »Gleich links von der Königstür!«, brummte Horatio ungehalten. »Da hängt die Panaghia an jeder Ikonostase!« Damit schwenkte er die Lampe auf die andere Seite der doppelflügeligen Mitteltür hinüber, wo sie ihr Licht sogleich auf das Tafelbild der Muttergottes warf, die in kostbare Gewänder gehüllt war. Das viele Gold auf dem Bildnis leuchtete ihnen so kräftig entgegen, als wollte es sie blenden.
    Sogar Byron als Laie sah auf Anhieb, dass es sich bei dieser Ikone um ein besonders altes und wertvolles Stück handeln musste. Dem Abbild der Muttergottes fehlte mehr noch als den anderen die räumliche Tiefe.
    »Dann runter damit!«, sagte Alistair pietätlos und hängte die Pana ghia auch schon ab. »Mal sehen, wo Mortimer seine Botschaft ver steckt hat. Vermutlich hat er was auf die Rückseite geritzt. Sähe ihm ähnlich!«
    Doch da war nichts. Verwundert drehte er die auf ein Stück Holz gemalte Ikone im Licht der Lampe hin und her, vermochte jedoch nirgendwo eine versteckte Nachricht zu entdecken.
    »Verdammt!«, fluchte er. »Das fehlt uns gerade noch, dass die Kut tenträger Mortimers Ikone gar nicht hier aufgehängt haben, sondern irgendwo anders. Dann sitzen wir aber bis zur Halskrause im Schla massel!«
    »Ganz ruhig, Alistair«, sagte Horatio ungehalten. »Nimm du mal die Lampe und gib mir die Ikone. Bei mir ist sie besser aufgehoben.«
    Dann untersuchte er sie gewissenhaft und mit den Augen des Ken ners. Plötzlich lachte er leise auf, als er die Unterseite des Holzes prüfte.
    »Hast du was gefunden?«, fragte Harriet aufgeregt.
    Horatio nickte. »Hier unten hat jemand einen schmalen Streifen Holzkitt angebracht, was auf eine darunterliegende Öffnung schließen lässt, und sich dann viel Mühe damit gemacht, die Farbe der Kittmasse der des Holzes anzupassen. Keine schlechte Arbeit, Mortimer Pembroke, aber nicht gut genug!«
    Er griff in die Hosentasche, holte sein Taschenmesser hervor und klappte eine der Klingen heraus. Vorsichtig kratzte er den Holzkitt von der Unterkante des Tafelbildes. Darunter kam ein daumenlanger Einschnitt zum Vorschein, der jedoch kaum so breit wie zwei Streichhölzer war.
    »Und du meinst, in diesem winzigen Schlitz hat Mortimer seine Nachricht versteckt?«, fragte Alistair. »Siehst du in der Ritze ein Stück Papier?«
    »Es ist kein Papierzettel, der da im Spalt steckt«, sagte Horatio und hielt den Einschnitt noch näher an das Licht der Petroleumleuchte. »Was da drin so schimmert, sieht mir eher wie ...naja, wie ein dün nes, doppelt gefaltetes Stück Kupferblech aus!«
    »Du hast recht!«, sagte Byron verblüfft, der sich zu Horatio vorge beugt hatte. »Da schimmert wirklich etwas kupferfarben!«
    »Dann pulen wir es doch mal heraus«, sagte Horatio, setzte die Spitze an, bohrte sie ein wenig in das Kupferblech und hebelte

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