Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Die Judas-Papiere

Die Judas-Papiere

Titel: Die Judas-Papiere Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Rainer M. Schroeder
Vom Netzwerk:
klappte das Notizbuch zu und ging langsam auf die Gitterbrücke zu. »Die Judas-Papyri sind es nicht wert, dass Harriet dafür mit ihrem Leben bezahlt!«
    Ohnmächtige Wut stand auf ihren Gesichtern, als Horatio und Alistair der Aufforderung Folge leisteten und sich vom Übergang entfernten.
    »Halt! Das ist nahe genug!«, befahl der Mann mit der Schirmmütze, als Byron die Mitte des Gittersteges erreicht hatte und von der Kante des Gehstegs nur noch knapp zwei Meter entfernt war. »Und komm bloß nicht auf den Gedanken, das Notizbuch in den Kanal zu werfen! Dann wird eure Kleine dafür in ihrem eigenen Blut ersaufen, das schwöre ich dir!«
    Byron hatte keine Sekunde lang mit solch einem Gedanken ge spielt. Und so beugte er sich schräg über das Gitter und warf das No tizbuch hinüber auf den Asphaltsteg. Es rutschte ein Stück über den Boden und blieb vor der gemauerten Wand liegen.
    »Sehr gut! Und nun zurück zu den anderen! Und versucht erst gar nicht, mich zu verfolgen! Das würde euch schlecht bekommen!«
    Byron ging wortlos von der schmalen Brücke und begab sich nach hinten zu Horatio und Alistair.
    Kaum war er bei ihnen, als der Mann Harriet mit einem brutalen Ruck nach hinten von den Beinen riss und ihr noch im Fallen mit der linken Faust einen schmerzhaften Hieb an den Kopf versetzte, der sie aufschreien ließ. Und dann sprang er auch schon vor, bückte sich nach dem grünledernen Notizbuch und rannte in das Dunkel des Sei tenkanals.
    Wenn der Mann geglaubt hatte, Harriet mit seinem Schlag betäubt und außer Gefecht gesetzt zu haben, so irrte er sich. Noch im Fallen drehte sie sich geschmeidig wie eine Katze auf die Seite, fing ihren Sturz mit den Händen ab und rappelte sich schon Augenblicke später auf, um die Verfolgung aufzunehmen. Und Alistair spendete das Licht dafür mit seiner Ever Ready- Lampe, deren Leuchtkegel erheb lich weiter reichte als der Schein der Petroleumlampen.
    Was dann geschah, spielte sich in weniger als zehn Sekunden ab, erschien ihnen allen jedoch erheblich länger.
    Als Byron sah, dass Harriet dem Mann nachsetzte, rannte er ihr nach und schrie ihr dabei beschwörend zu: »Tun Sie es nicht, Harriet! Sie bringen sich nur unnötig in Gefahr!« Alistair folgte ihm dicht auf den Fersen und ließ immer wieder sein Flashlight aufblitzen.
    Wenn sich Harriets Hosenträger nicht gelöst hätten, wäre sie dem Verbrecher trotz der Behinderung durch die Watstiefel schnell ge fährlich nahe gekommen. Doch als die gummierten Hosen rutschten, geriet sie aus dem Tritt und ins Stolpern. Sie taumelte gegen die Wand, konnte einen Sturz gerade noch verhindern und versuchte im Weitertaumeln, die Hosen hochzuzerren. Dabei verlor sie den Mann mit der Schirmmütze vor sich aus den Augen.
    Byron jedoch sah im kurzen Aufleuchten von Alistairs Flashlight, was Harriet in diesem kritischen Moment entging – nämlich dass der Mann eine Waffe in der Hand hielt, und zwar diesmal kein Messer, sondern einen Revolver!
    »Schusswaffe! Runter, Harriet! Runter!«, brüllte Byron, der sie mitt lerweile fast eingeholt hatte. Er machte einen gewaltigen Satz nach vorn, warf sich von hinten mit ausgestreckten Armen auf sie und riss sie mit sich zu Boden. Der Aufprall war für sie beide hart und schmerzhaft.
    Im selben Moment schoss ein feuriger Blitz aus der Mündung der Waffe, begleitet von einer ohrenbetäubenden Detonation, die wie Kanonendonner durch den Kanal rollte. Die Kugel sirrte knapp über Byron hinweg – sogleich gefolgt von einer zweiten Kugel und einer neuerlichen Detonation.
    Byron hob den Kopf und sah im Licht eines weiteren Flashlights, wie der Fremde hinter einer Kanalbiegung verschwand. Er hielt die Gefahr für gebannt, richtete sich mit einem unterdrückten Aufstöh nen auf und wollte Harriet auf die Beine helfen. »Mein Gott, ich hof fe, ich habe Sie nicht . . .«
    Weiter kam er nicht, denn in diesem Augenblick tauchte die Schirmmütze wieder hinter der Biegung auf und der Mann feuerte einen dritten Schuss in ihre Richtung ab, vermutlich um sicherzuge hen, dass sie auch wirklich die Verfolgung aufgaben.
    Der Schuss wurde schräg nach oben abgegeben und sollte vermut lich keinen von ihnen treffen. Doch das Geschoss prallte von der ge wölbten Ziegeldecke ab und traf Byron als Querschläger.
    Er spürte einen scharfen, stechenden Schmerz im linken Oberschenkel, als die Kugel seinen Watstiefel durchschlug. Augenblicklich knickte er nach links weg, er versuchte, die Balance zu halten, und ruderte

Weitere Kostenlose Bücher